Das bedingungslose Grundeinkommen ist keine Antwort : Lernen finanzieren - statt rumsitzen

Die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen erhält durch die Digitalisierung neue prominente Unterstützer. Nach Bitkom-Chef Achim Berg, Telekom-Chef Timotheus Höttges hat sich jetzt auch Siemens-Chef Joe Kaeser auf die Seite der Befürworter geschlagen. Offensichtlich glauben die Wirtschaftsbosse damit eine soziale Antwort auf die sich verändernde Arbeitswelt geben zu können. Die Logik, die dahinter steht zeugt jedoch von einem großen Technologiepessimismus. Neue Jobs entstehen, für die man qualifiziert sein muss: Aus- und Weiterbildung gehört in den Fokus.
Es stimmt zwar, dass durch den technologischen Wandel in den kommenden Jahren viele gut bezahlte Arbeitsplätze insbesondere im mittleren Qualifikationsniveau wegfallen werden. Aber etliche Studien zeigen auch, dass verloren gegangene Arbeitsplätze durch neue entstehende Jobs in anderen Bereichen kompensiert werden. Die wirkliche Herausforderung besteht also darin, die Veränderung von Tätigkeiten frühzeitig zu erkennen und die Menschen für diese neuen Anforderungen durch Aus-, Weiter- und Fortbildung fit zu machen. Das Grundeinkommen finanziert keine Weiterbildung, das ist ein Problem.
Nur dazu leistet das bedingungslose Grundeinkommen keinen Beitrag. Im Gegenteil: Die Arbeitslosenversicherung, die heute bei Jobverlust nicht nur für materielle Absicherung sorgt, sondern auch Qualifizierungen und Umschulungen finanziert, fällt ersatzlos weg. Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine ausschließlich finanzielle Leistung - je nach Konzept zwischen 1000 und 1500 Euro. Das klingt zunächst vielleicht üppig, liegt aber bei Lichte betrachtet nicht weit über dem aktuellen Hartz IV-Satz – jedenfalls, wenn man alle HartzIV- Leistungen zusammen zählt und zugleich berücksichtigt, dass im Gegenzug andere soziale Unterstützungsangebote wegfallen sollen. Die Digitalisierung erhöht die Halbwertszeit von Wissen, Updates sind nötiger denn je.
Schwer vorstellbar, dass dieses Angebot gutverdienenden Mitarbeitern aus gefährdeten Branchen wie dem Bankenbereich, der Chemie- und Pharmaindustrie oder dem Versicherungsgewerbe tatsächlich „Halt, Sicherheit und Freiheit“ vermittelt, wie es die Grundeinkommensbefürworter versprechen. Im Gegenteil: Gerade unter den Bedingungen der Digitalisierung, unter denen die Halbwertzeit von Wissen noch einmal deutlich abnimmt, laufen Grundeinkommensbezieher Gefahr, dauerhaft den Anschluss zu verlieren. Ein neues Prekariat auf dem Niveau des Grundeinkommens könnte die Folge sein. Der Staat steht in der Pflicht, Aus- und Weiterbildung für alle zu organisieren.
Nein, wer Vorbehalte gegen Digitalisierung abbauen und Ängste vor Jobverlust überwinden will, muss Zugänge organisieren und Chancen eröffnen. Deshalb darf der Staat sich nicht freikaufen. Politik muss an dem Anspruch festhalten, auch unter den Bedingungen von Arbeit 4.0 so vielen Menschen wie möglich Teilhabe durch Erwerbsarbeit zu ermöglichen. Aktuell ist aber weder das Erstausbildungssystem noch die Weiterbildung auf die neuen Kompetenzanforderungen und Berufsbilder vorbereitet. Noch immer zerfällt das Berufsleben in zwei Phasen: erst Ausbildung, dann Arbeit. Diese Aufteilung wird der sich ständig verändernden Arbeitswelt schon heute nicht mehr gerecht.Die zerklüftete Weiterbildungslandschaft muss transparenter werden.
Wenn die Entwicklung zu einem konsistenten Gesamtkonzept gelingen soll, muss die vollkommen intransparente und in vielerlei Hinsicht zerklüftete Weiterbildungslandschaft zu einer eigenständigen vierten Säule des Bildungssystems ausgebaut wird. Es geht um ein Recht auf Weiterbildung, das tatsächlich allen einen Zugang eröffnet. Die Bildungsangebote müssen so ausgestaltet werden, dass Bildungsversäumnisse der beruflichen Erstausbildung nicht noch verstärkt, sondern ausgleichen werden. Damit alle Menschen dieses Recht auf Weiterbildung in Anspruch nehmen können, muss der Lebensunterhalt während der Qualifizierungsmaßnahme gesichert sein.Mangel an qualifiziertem Personal schwächt letztlich den gesamten Standort Deutschland.
Zu einer solchen Qualifizierungsoffensive gibt es keine sinnvolle Alternative wie Forscher der Boston Consulting Group in einem aktuellen Gutachten zeigen. Nicht nur, dass die Kosten, die die soziale Versorgung von Menschen, die ohne Erwerbstätigkeit dastehen, die Bildungsinvestitionen um ein vielfaches überschreiten. Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften könnte die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands insgesamt beeinträchtigen und zur Abwanderung von Wertschöpfung mit allen negativen Folgen für Wirtschaft und Beschäftigung führen.