Nach der einst autogerechten Stadt : Eine nur fahrradgerechte Stadt wäre der nächste Fehler

Mit dem Mobilitätsgesetz für Berlin hat sich der Senat hohe Ziele gesetzt. Als erstes Bundesland will die Hauptstadt eine Verkehrswende gesetzlich verankern – Sauber, bequem und sicher soll er sein, der Verkehr der Zukunft. Das begrüßt auch der ADAC. Doch von einer „nachhaltigen Mobilität für alle“, wie sie Verkehrssenatorin Regine Günther verspricht, ist Berlin mit dem aktuellen Gesetzesentwurf noch weit entfernt. Der Autoverkehr muss mittelfristig reduziert werden.
Der Wunsch nach einer intakten Umwelt, Lebensqualität und Sicherheit steht außer Frage und wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Dafür muss nicht nur ein Schwerpunkt auf der Förderung der Elektromobilität liegen, der Autoverkehr muss auch mittelfristig reduziert werden. Das kann jedoch nur funktionieren, wenn gleichzeitig leistungsfähige Alternativen angeboten werden. Leistungsfähige Alternativen zum Autoverkehr fehlen derzeit.
Diese Alternativen gibt es zurzeit nicht. Vor allem der ÖPNV hat nicht die Kapazitäten, um den wachsenden Bedarf aufzufangen. Das zeigte erst jüngst die Mobilitätskonferenz der Bundesländer Berlin und Brandenburg in Potsdam am 11. Dezember. Auch in den nächsten 5-7 Jahren gehören überfüllte Züge zum Alltag der 280.000 Pendler aus Berlin und Brandenburg. Seit Jahren fordern wir mehr Verbindungen im öffentlichen Nah- und Regionalverkehr, dichtere Taktung sowie flächendeckende Park&Ride-Angebote am Stadtrand, um vor allem auch die zahlreichen Pendler zum Umsteigen zu motivieren. Hier wurde in den vergangen Jahrzehnten versäumt, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Jetzt wo sich Berlin und Brandenburg endlich zu einem gemeinsamen Infrastrukturaufbau verpflichtet haben, erwarten wir nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern rasches Handeln. Viele Berlinerinnen und Berliner sind zum Umsteigen auf Bahn oder Rad bereit.
Ob Bahn oder Rad – Viele Berlinerinnen und Berliner sind ja grundsätzlich zum Umsteigen bereit. Das bestätigt auch unsere im Sommer 2016 veröffentlichte Studie. Dennoch halten 93% unserer rund 730.000 Berliner Mitglieder das Auto nach wie vor für unverzichtbar.
Eine sogenannte „Verkehrswende“ wird eben nur dann funktionieren, wenn sie in der breiten Bevölkerung auf Akzeptanz stößt und wirklich alle Verkehrsteilnehmer berücksichtigt.Der Senat formuliert seine Ziele zu einseitig zugunsten des Rad- und öffentlichen Nahverkehrs.
Das ist im Mobilitätsgesetz nicht der Fall. Zu einseitig formuliert der Senat seine Ziele zugunsten des Rad- und öffentlichen Nahverkehrs. Ich halte es für sehr bedenklich, dass die aktuelle Fassung des Mobilitätsgesetzes dem Autoverkehr im Vergleich zu den anderen Mobilitätsarten kaum Aufmerksamkeit widmet.Maßnahmen des Senats gehen zu Lasten des motorisierten Wirtschafts- und Individualverkehrs.
Viele Maßnahmen gehen zu Lasten des motorisierten Wirtschafts- und Individualverkehrs. Zum Beispiel wird sich durch den Wegfall von Straßen- und Parkraum zugunsten des Radverkehrs die angespannte Verkehrslage in Berlin mit Sicherheit weiter zuspitzen.Berliner Autofahrer gehören zu den unzufriedensten Verkehrsteilnehmern Deutschlands.
Dabei ist Platz jetzt schon Mangelware. Nicht umsonst rangiert die Hauptstadt Jahr für Jahr unter den Top-Staustädten. Auch beim Thema Parkplatzsuche sind die Berliner mit 62 Stunden pro Jahr trauriges Schlusslicht. Der ADAC Monitor 2017 belegt: Berliner Autofahrer gehören zu den unzufriedensten Verkehrsteilnehmern Deutschlands. Die Landesregierung sollte den Frust der Autofahrer ernst nehmen!
In einer dicht besiedelten Stadt ist das Fahrrad zwar für viele zu einer Alternative geworden. Als Alltagsverkehrsmittel ist es jedoch nicht für jede Altersgruppe und auch nicht für jeden Zweck geeignet. Vor allem im Winter stehen die Zweiräder oft still. Ältere Menschen, Schichtarbeiter und viele Anwohner werden auch künftig auf ihr Auto und einen Parkplatz in der Nähe angewiesen sein.Dem Autoverkehr muss weiterhin entsprechend Raum zur Verfügung stehen.
Nach der einst autogerechten Stadt sollten wir also nicht den Fehler machen, Berlin einseitig in eine fahrradgerechte Stadt zu verwandeln.
Fakt ist: Solange keine akzeptablen Alternativen angeboten werden, muss dem Autoverkehr in der Hauptstadt weiterhin entsprechend Raum zur Verfügung stehen.