Das Atomprogramm Nordkoreas : Können wir damit leben, dass Nordkorea Nuklearwaffen hat?

Herr Kelly, wie nah ist Nordkorea an einer einsatzfähigen Atombombe?
Nordkorea hat bereits Nuklearwaffen. 2006 haben sie die erste getestet, dann je eine weitere 2009 und 2013 und zwei im Jahr 2016; bis heute gab es also ingesamt fünf Tests. Die Bombe im jüngsten Test hatte eine Sprengkraft von 30 Kilotonnen. Jetzt droht Kim Jong-un, dass er eine Wasserstoffbombe entwickeln lässt. Momentan stellt sich die Frage, ob Nordkorea in der Lage sein wird, die nuklearen Bomben zu verkleinern und an Raketen zu befestigen.
Sie glauben also, dass Nordkorea nach wie vor daran scheitern könnte, die Atomwaffen einsatzbereit zu machen?
Die sowjetischen und amerikanischen Nuklearwaffen in den 40ern und 50ern waren so groß, dass sie aus Flugzeugen abgeworfen werden mussten. Die Nuklearwaffe der Nordkoreaner ist stark – 30 Kilotonnen sind doppelt so viel, wie die Sprengkraft der Bombe, die auf Hiroshima abgeworfen wurde. Aber das Land hat keine Luftwaffe, die die Bombe so transportieren könnte, wie es im zweiten Weltkrieg geschah.
Die aktuelle Frage ist nicht mehr die nach einer nuklearen Waffe Nordkoreas, sondern jene nach atomwaffenfähigen Raketen. Und die Überlegung, ob Nordkorea in der Lage sein wird, Wasserstoffbomben zu entwickeln, die die Sprengkraft mehrerer Megatonnen haben, nicht Kilotonnen. Solch eine Waffe wurde bisher noch nie eingesetzt – wir haben dementsprechend keine Ahnung, was sie anrichten könnte. Aber es wäre sicherlich ein unglaubliches Desaster. Die nordkoeranischen Atomwaffen sind nicht zum Angriff gedacht.
Haben sie von der These von Chris Douglas gehört, der für den australischen Think-Tank Australian Strategic Policy Institute schrieb, Nordkorea könnte die Waffen per Containerschiff in andere Länder schmuggeln?
Es gibt immer wieder Diskussionen darüber, ob Nordkorea andere Möglichkeiten finden könnte, als Raketen. Für mich klingen diese Theorien, als hätten ihre Begründer zu viel ferngesehen oder zu viele Videospiele gespielt. Ich glaube nicht daran. Das Problem daran, eine nukleare Waffe auf ein Containerschiff zu laden und in die entsprechenden Länder zu schicken, ist, dass die Waffe über eine lange Zeit unbeaufsichtigt wäre. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass so etwas geschieht.
Die Nuklearwaffen Nordkoreas sind nicht zum Angriff gedacht sondern zur Verteidigung des Regimes. Nordkorea wird diese Waffen nicht zum Angriff nutzen. Das hat man auch mehrfach gesagt. Wir sollten uns an den Gedanken gewöhnen, dass Nordkorea Atomwaffen besitzt.
Eigentlich wollte ich fragen, was Ihrer Meinung nach getan werden muss, um die weiteren Entwicklungen von Nordkoreas Atomprogramm aufzuhalten. Aber Sie klingen nicht, als glaubten sie, dass wir etwas tun müssen?
Doch, wir sollten definitiv etwas tun! Der Punkt ist China, denn das Land hat sehr viel Einfluss auf Nordkorea. Nordkoreas Nuklearprogramm kann ohne die Technologie, die Informationen und die Ressourcen, die aus China kommen, nicht weiterlaufen. Ohne China hätte Nordkorea viele Probleme.
Dennoch: Es gibt keine Möglichkeit, zu verhindern, dass Nordkorea nukleare Waffen besitzt. Außer durch einen Angriff – und der wäre eine absolute Katastrophe.
Wir leben seit vielen Jahren damit, dass einige Länder nukleare Waffen haben. Die Frage ist, ob wir damit leben können, dass Nordkorea jetzt auch dazu gehört. Entweder gewöhnen wir uns an den Gedanken oder wir greifen an. Ein Angriff auf Nordkorea könnte den dritten Weltkrieg auslösen.
Die zweite Option halten Sie für keine gute Idee…?
Nordkorea zu bombardieren, wäre ein Desaster. Das Land wäre vorbereitet. Und außerdem gibt es diese Allianz mit China. Und dann würden sich Amerika und China gegenseitig angreifen und wir hätten den dritten Weltkrieg. Trump wird Nordkorea nicht bombardieren. Er sagt es zwar immer wieder, aber er wird es nicht tun.
Wir können entweder akzeptieren, dass Nordkorea Atomwaffen besitzt oder alles aufs Spiel setzen.
Das Interview führte Laura Fauss.