Flüchtlingsstatus der Palästinenser : Raus aus der Rolle als Almosenempfänger
Es ist höchste Zeit, in der und für die Bundesrepublik wichtigen Debatten zu grundsätzlichen Ausrichtungen einer werteorientierten Außenpolitik zu führen. Dabei spielt der Nahe und Mittlere Osten für Europa eine zentrale Rolle, so wie mit Herausforderungen einer künftigen deutschen bzw. europäischen Nahostpolitik grundsätzliche Fragestellungen zum transatlantischen Verhältnis verbunden sind. Eine Reform der UNRWA muss auch auf der deutschen Agenda stehen.
Nicht erst aufgrund von Positionen der gegenwärtigen US-amerikanischen Administration zum UN-Hilfswerk für palästinensisch-arabische Flüchtlinge UNRWA und der damit zusammenhängenden Kürzung von Mitteln für diese UN-Agentur steht eine Reform der nahezu 70 Jahre alten Institution auch auf der deutschen Agenda, da die Bundesregierung zum Unterhalt von UNRWA erhebliche Mittel des deutschen Steuerzahlers freisetzt. Die Bundesrepublik ist heute unabhängig von EU-Leistungen allein der drittgrößte Beitragszahler mit insgesamt 76 Mio. US-Dollar pro Jahr bei einem Gesamtbudget von 1,12 Milliarden US-Dollar, hat also politisches und finanzielles Gewicht in die Waagschale zu werfen.
Im Koalitionsvertrag von März diesen Jahres heißt es dazu:
„Wir werden in der EU eine Initiative sowohl zur ausreichenden und nachhaltigen Finanzierung als auch der Reform des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) ergreifen. Zugleich verurteilen wir jegliche Aufrufe zu Gewalt und Hetze. Das Existenzrecht Israels darf nicht in Frage gestellt werden. Wir fordern, dass Handlungen, egal von welcher Seite, die einer endgültigen
Friedenslösung entgegenstehen, sofort beendet werden. In den palästinensischen Gebieten sind auf allen Ebenen demokratische Fortschritte nötig.“ Es bedarf eines differenzierten und diplomatisch klug vorgetragenen Ansatzes zur Reform.
Wie könnte eine solche Initiative zur Förderung demokratischer Fortschritte aussehen? UNRWA, die 1950 nach dem ersten israelisch-arabischen Krieg gegründet wurde, versorgt heute ca. 5,26 Millionen registrierte palästinensische Flüchtlinge und ihre Nachkommen in Jordanien, dem Libanon, Syrien, Gaza und der Westbank einschließlich Ost-Jerusalems. Auf den Gebieten der medizinischen und sozialen Fürsorge leistet UNRWA für die Schwächsten der palästinensischen Gesellschaft wichtige und manchmal lebensrettende Arbeit. Es bedarf eines differenzierten und diplomatisch klug vorgetragenen Ansatzes zur Reform, da sich die Situation der Flüchtlinge in Jordanien, der West-Bank und Ost-Jerusalem erheblich von der etwa in Syrien, Gaza und den Flüchtlingslagern im Libanon unterscheidet. Der übertragbare Flüchtlingsstatus ist weltweit ungewöhnlich und ist die Herausforderung für eine Lösung des Konflikts.
Eine Herausforderung für eine Lösung des Konfliktes zwischen Israelis und Palästinensern ist der von den Vereinten Nationen definierte Flüchtlingsstatus für Palästinenser: Er ist auf jede nachfolgende Generation vererbbar, das heißt, die Zahl dieser Flüchtlinge wächst unaufhörlich: „Palästinensische Flüchtlinge sind bestimmt als ‚Personen, deren regulärer Wohnsitz Palästina während der Zeit zwischen dem 1. Juni 1946 und dem 15. Mai 1948 gewesen ist und die als Ergebnis des Konflikts von 1948 sowohl ihr Heim als auch ihre Lebensgrundlage verloren haben.‘ Die Dienste der UNRWA stehen jenen offen, die dieser Definition entsprechen, durch die UNRWA registriert wurden und Hilfe benötigen. Die Nachkommen männlicher palästinensischer Flüchtlinge, einschließlich adoptierter Kinder, sind gleichfalls zur Registrierung berechtigt.“
Das ist weltweit ungewöhnlich, wenn wir uns den definierten Flüchtlingsstatus derjenigen Menschen anschauen, um die sich die zweite für derlei Fragen zuständige UN-Institution kümmert, UNHCR. Die von dieser UN-Organisation betreuten Flüchtlinge können ihren Status nicht auf sämtliche nachfolgenden Generationen vererben. Von den im Verlauf und in der Folge des ersten israelisch-arabischen Krieges geflüchteten oder vertriebenen Palästinensern leben heute noch schätzungsweise 30.000 Menschen, die erste Generation also.Der UNRAW-Flüchtlingsstatus dient der palästinensischen Führung ihre Forderung nach einem Rückkehrrecht zu untermauern.
Der UNRWA-Flüchtlingsstatus perpetuiert das Problem einer Integration der Menschen in deren damalige Fluchtzielgebiete, wie es die nach dem Krieg von 1948 im Dezember desselben Jahres verabschiedete UN-Resolution 194 neben weiteren Lösungsvorschlägen vorsah, auf unabsehbare Zeit, anstatt es in einem überschaubaren Zeitraum zu lösen: dieser Flüchtlingsstatus dient der palästinensischen Führung nämlich dazu, ihre Forderung nach einem Rückkehrrecht sämtlicher Flüchtlinge und ihrer Nachgeborenen ins Kernland Israel zu untermauern. Derzeit hat Israel knapp 9 Millionen Einwohner (Stand: 16. April 2018), davon sind knapp 6,6 Millionen Juden. Juden würden also innerhalb Israels, das ja das selbstverständliche Recht auf jüdische nationale und politische Souveränität nach Jahrtausenden der Verfolgung verkörpert, in die Minderheit geraten.Die Forderung nach einem Rückkehrrecht steht im Widerspruch zu einer Zwei-Staaten-Lösung.
Eine solche Forderung steht auch im logischen Widerspruch zu einer Zwei-Staaten-Lösung, denn dann würden die Nachkommen der Flüchtlinge ja selbstverständlich Bürger eines neuen palästinensischen Nationalstaates werden. Die Bundesregierung im Koalitionsvertrag dazu: „Wir bekennen uns zu der besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel als jüdischem und demokratischem Staat und dessen Sicherheit.“
UNRWA ist mit ca. 30.000 überwiegend palästinensischen Beschäftigten nach der Palästinensischen Autonomiebehörde der größte Arbeitgeber in den Palästinensergebieten. Die Agentur betreibt auch Schulen dort und sorgt damit für wichtige und notwendige Bildung und Ausbildung junger Palästinenser; sie verwendet dafür neben eigenen Materialien das vom PA-Bildungsministerium verantwortete Curriculum. Unsere im Sommer 2017 im Bundestag mit Abgeordneten des Haushaltsausschusses präsentierte wissenschaftliche Untersuchung dieses Curriculums kommt zu dem Schluss, dass die aktuellen palästinensischen Schulbücher alles andere als eine Voraussetzung für Frieden, Koexistenz und Verständigung schaffen. Es dominieren sehr eindeutig die Delegitimierung und Dämonisierung des jüdischen Staates. Die Bücher glorifizieren häufig den auch gewaltvollen »Widerstand« gegen die als aggressiv präsentierten »Besatzer« – Besatzung bezieht sich hier auf »ganz Palästina« unter Einschluss des Staates Israel, nicht nur auf Westbank und Gazastreifen. Sie stehen, wenn wir uns an den Koalitionsvertrag erinnern, einer Friedenslösung eindeutig im Wege.Würde man die UNRWA reformieren, könnten sich die Konflikparteien auf die wichtigen Verhandlungsfragen konzentrieren.
Im Rahmen eines zu fixierenden Zehn-Jahres-Planes sollte es gelingen können, UNRWA zu reformieren und einen Teil von deren Aufgaben in die Arbeit von UNHCR zu integrieren. Ein solcher Plan hätte den Vorteil, dass sich die eigentlichen Konfliktparteien auf die wichtigen Verhandlungsfragen konzentrieren können.
Beginnen wir mit Jordanien. Die Vereinten Nationen sollten über UNRWA ein Budget finanzieren, ausgestattet mit vielleicht 500 Mill. Dollar pro Jahr mit einer Laufzeit von zehn Jahren; die Hälfte des Geldes pro Jahr jeweils für die weitere Versorgung der Flüchtlinge in Jordanien, die Hälfte als jährliche Finanzspritze für die jordanische Wirtschaft zur dauerhaften Integration der etwa zwei Millionen palästinensischen Flüchtlinge in Jordanien. Die bisherigen Aufgaben von UNRWA in Syrien und dem Libanon würden UNHCR übertragen, da UNHCR ja ebenfalls ein Mandat zur Versorgung von Flüchtlingen und deren Integration in den jeweiligen Fluchtzielländern hat und im Libanon und in Syrien ja bereits sehr präsent ist. In Syrien ist die Situation für palästinensische Flüchtlinge so unsicher, dass sie zu ihrer eigenen Sicherheit unter den Schutz von UNHCR gehörten. Auch im Libanon mit seiner fragilen Struktur verblieben die dort lebenden Palästinenser im Flüchtlingsstatus von UNHCR.
In der Westbank bliebe es bei den Aufgaben von UNRWA, aber UNRWA sollte künftig generell keine politischen Statements zu finalen Statusfragen abgeben dürfen, die ausschließlich das Resultat direkter Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien sein können, so wie eben die Frage, wie vielen palästinensischen Flüchtlingen eine Rückkehr ins israelische Kernland erlaubt sein würde, sondern sich als UN-Agentur im Konflikt neutral verhalten.Palästinenser brauchen ein Leben in Würde an der Seite Israels, statt dauerhaft als Flüchtlinge Almosen zu empfangen.
Jedoch sollte anerkannt werden, dass UNRWA im Vergleich zur Hamas in Bildungsfragen für den Gazastreifen die bessere, weil immer noch moderatere Lösung ist, doch gehören die Inhalte palästinensischer Schulbücher nachhaltig verändert. Die Bundesregierung sollte sich mit ihren guten Kontakten zur PA dafür im deutsch-palästinensischen Lenkungsausschuß und in multilateralen europäischen Gremien einsetzen.
Die Palästinenser verdienen Besseres, eine wirkliche Zukunft in einem Leben in Würde an der Seite des Staates Israel und ohne Indoktrinierung zu Hass und Gewalt, statt Generation für Generation Almosenempfänger zu sein.