Der Nahe Osten nach dem Rückzug der USA aus dem Irandeal : Im Nahen Osten zieht ein „perfekter Sturm“ auf

In der ewigen Rangliste der schlechtesten Außenpolitik-Entscheidungen gebührt Donald Trumps Beschluss, aus dem Atomabkommen mit Iran auszusteigen, ein Spitzenplatz. Die fatale Fehlentscheidung des US-Präsidenten wird dazu beitragen, eine ohnehin äußerst volatile Region weiter zu destabilisieren - neue militärische Auseinandersetzungen nicht ausgeschlossen. Und: sie ist nur das erste Glied in einer Kette gefährlicher Ereignisse, die den Nahen und Mittleren Osten in den kommenden Wochen zu erschüttern drohen. Vor Europas Haustür braut sich ein „perfekter Sturm“ zusammen. Der Iran und Israel befinden sich auf Kollisionskurs.
Dass die israelisch-iranischen Spannungen ausgerechnet jetzt eskalieren, ist kein Zufall. Der Schlagabtausch der letzten 48 Stunden - mutmaßlich von Stellungen in Syrien abgefeuerte iranische Raketen, die gegen israelische Ziele auf den Golan-Höhen gerichtet waren, und Luftschläge der Israeli Defense Forces gegen iranische Militärpositionen im Raum Damaskus - macht deutlich: Jerusalem und Teheran befinden sich auf Kollisionskurs.
Irans moderat-pragmatischer Präsident Rohani und sein Außenminister Zarif, der wie kein anderer iranischer Politiker für den Nuklear-Deal steht, beteuern, an der Vereinbarung festhalten zu wollen. Doch Washingtons Rückzug aus dem Abkommen und die Ankündigung neuer US-Sanktionen spielen den Hardlinern in Teheran in die Hände - also jenen, die gegenüber dem Westen und seinen regionalen Verbündeten auf Härte statt auf Kompromissbereitschaft setzen. In der Konsequenz bedeutet das: noch mehr Spannungen zwischen der Islamischen Republik und ihren Parteigängern auf der einen und Israel, Saudi-Arabien und den USA auf der anderen Seite. Israelische Politiker und Militärs machen keinen Hehl daraus, gegen eine dauerhafte iranische Präsenz in Syrien notfalls mit Waffengewalt vorgehen zu wollen. Angriff sei oft die beste Verteidigung, so der ehemalige israelische Verteidigungsminister Moshe Yaalon bei der diesjährigen Herzliya Conference.
Doch damit nicht genug: sorgenvoll blicken viele Beobachter auf den 14. Mai - den Tag, an dem die USA ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen werden. Schon für sich genommen birgt der umstrittene Schritt der Trump-Administration enormes Eskalationspotenzial. Doch in Kombination mit Feierlichkeiten anlässlich des „70 Jahre Israel“-Jubiläums, Aufmärschen israelischer Siedler zum Jerusalem Day und dem Yawm an-Nakba am 15. Mai, an dem die Palästinenser dieses Jahr an die Vertreibung vor 70 Jahren erinnern, droht die Situation außer Kontrolle zu geraten. Wie aufgeheizt die Lage ist, haben in den vergangenen Wochen auch die von der Hamas unterstützten Protestaktionen entlang der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel gezeigt. Beobachter sprechen von einem toxischen Gebräu aus politischer Instabilität und potenzieller Gewalt. Möglicherweise droht ein neuer Krieg zwischen Israel und der "Islamischen Widerstandsbewegung" in Gaza.
Kommt es tatsächlich zu einer Explosion der Spannungen, könnte sich daran ein erneuter Krieg zwischen Israel und der in Gaza regierenden Islamischen Widerstandsbewegung entzünden. Zu den ersten Opfern einer massiven israelisch-palästinensischen Auseinandersetzung würde wohl die hauptsächlich aus der gemeinsamen Feindschaft gegenüber Iran geborene Annäherung zwischen Israel und wichtigen sunnitisch-arabischen Staaten, allen voran Saudi-Arabien, gehören. Geopolitisches Kalkül hin oder her: kein arabischer Führer kann es sich leisten, im Kriegsfall nicht unmissverständlich an der Seite der Palästinenser zu stehen. Zudem beginnt am 15. Mai der Fastenmonat Ramadan. Während die große Mehrheit der Gläubigen sich in religiöser Einkehr und Enthaltsamkeit übt, nutzen fundamentalistische Eiferer den neunten Monat des islamischen Mondkalenders, um Hass zu predigen und zu Gewalt aufzurufen.Europa muss sich im Nahen Osten stärker engagieren und als Vermittler anbieten.
Keine Frage: Nach Donald Trumps Iran-Entscheidung ist es an den Europäern, Schadensbegrenzung zu betreiben und das Nuklear-Abkommen - womöglich gemeinsam mit Russen und Chinesen - am Leben zu erhalten. Doch Achtung: die übrigen Probleme, die die Stabilität in Nah-/Mittelost mindestens ebenso sehr gefährden wie der Ausstieg der USA aus dem Atom-Deal, dürfen darüber gerade jetzt nicht aus dem Blickfeld geraten. Überlassen wir nicht allein Moskau das Feld im Bemühen um eine Entschärfung des israelisch-iranischen Konflikts. Seien wir mit eigenen Vorstellungen zur Stelle, wenn die Trump-Administration demnächst ihre Pläne für einen Ultimate Deal zwischen Israelis und Palästinensern vorlegt. Blockieren wir uns nicht selbst mit den immer gleichen innereuropäischen Querelen, wenn wir als Vermittler in einer möglichen Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern gefragt sind. Und erinnern wir uns daran, dass alle nahöstlichen Stürme früher oder später auch bei uns ankommen.