Streit um Huawei : Die Europäer sollten amerikanischer handeln!

Deutschland diskutiert den Einsatz chinesischer Technologie beim Aufbau der neuen 5G Kommunikationsnetze - und damit gleichzeitig auch die Frage wie sehr man China trauen kann. In den USA ist diese Debatte schon einige Jahre alt. Vielleicht erscheint einem dort deshalb die Berliner Diskussion bisweilen so, als wäre da jemand zu spät zu einer Sitzung gekommen und müsste nun im Eiltempo auf den Stand der Dinge gebracht werden.
Der Zeitdruck ist hoch. Schon am 19. März soll die Versteigerung der 5G-Frequenzen an die Mobilfunkanbieter beginnen. Die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica wollen mitbieten. Alle drei haben in ihrem bestehenden Mobilfunknetz bereits Technologie chinesischer Anbieter in unterschiedlich hohen Anteilen verbaut.
Vor allem die Deutsche Telekom kooperiert seit Jahren eng mit dem umstrittenen chinesischen Tech-Giganten Huawei. Zudem wirft mit 1&1 Drillisch auch ein neuer Wettbewerber den Hut in den Ring, der bislang keine eigene Netzwerkinfrastruktur besitzt. Da alle Anbieter auch für den 5G-Ausbau auf chinesische Komponenten zurückgreifen wollen, sitzen Huawei & Co. also im übertragenen Sinne bei der Versteigerung mit am Tisch.
5G ermöglicht einen digitalen Quantensprung. Daher ist die Frage der Netzwerksicherheit umso relevanter. Es geht um mehr als das potentielle Abhören von Telefongesprächen. Es geht um autonomes Fahren oder Industrie 4.0, vielleicht gar die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Dafür ist natürlich nicht allein die Netzwerkinfrastruktur entscheidend. Aber aus dem Zusammenspiel von neuer Hardware und komplexen Softwarelösungen entstehen – so der ambitionierte Plan – intelligente Systeme, die das digitale Leben der Zukunft maßgeblich gestalten. Die Gestaltung der Netzwerke der Zukunft ist vor allem eine politische Frage
Jenseits der Frage nach Cyber-Sicherheit und möglicherweise auch überzogenen technologischen Erwartungen, ist die Gestaltung der Netzwerke der Zukunft aber vor allem eine politische Frage. Diese lässt sich nicht mit dem Aufbau von Testzentren und anderen technischen Lösungen beantworten.
Es ist dieser Tage viel von „strategischer Autonomie“ die Rede. Dass Europa mehr Eigenständigkeit braucht, in Zeiten in denen man sich auf den transatlantischen Partner nicht mehr so recht verlassen kann und in denen China mit eigener Industriepolitik der deutschen Wirtschaft Konkurrenz macht, ist inzwischen konsensfähig. Kann man es sich unter diesen Bedingungen „leisten“, auf Huawei, einen hochwertigen Anbieter mit guten Preisen, zu verzichten?
Wäre das nicht innovations- und wettbewerbsfeindlich, ja geradezu uneuropäisch, auch wenn es sich bei Huawei und ZTE um wirtschaftliche Spieler handelt, die nur bedingt den Gesetzen des Marktes, wohl aber der Weisung der Kommunistischen Partei gehorchen müssen? Soll man dazu beitragen, dass ein sich anbahnender technologischer Kalter Krieg weiter eskaliert? Und lässt sich die Frage nach der Rolle Chinas für unsere Wirtschaft wirklich ohne oder vielleicht sogar in Abgrenzung zu den USA beantworten?
Klar ist, in den USA werden Huawei und ZTE keine maßgeblichen Spieler beim Aufbau von 5G sein. Hinterher hinkt man deswegen in den USA nicht: Schon jetzt sind erste 5G-Netze in einzelnen US-Städten in Betrieb. Dafür setzen die USA vor allem auch auf die europäischen Konzerne Ericsson und Nokia in Zusammenarbeit mit US-Anbietern. Auch in Australien ist 5G-Technologie bereits im Einsatz, auch hier aus Sicherheitsgründen ohne Huawei und ZTE – dafür mit europäischer Beteiligung.
In den USA ist die Debatte um einen Verzicht auf chinesische Telekommunikationstechnologie aus zwei Gründen einfacher: Zum einen ist die Marktdurchdringung der chinesischen Konzerne in diesem Bereich gering. Schon 2012 kam ein Bericht für das Repräsentantenhaus zu dem Schluss, dass von Huawei und ZTE ein Sicherheitsrisiko ausginge und deshalb auf Kooperation mit den beiden Anbietern verzichtet werden solle. In den letzten sieben Jahren ist es Huawei nicht gelungen, die Bedenken auszuräumen. Huawei ist es nicht gelungen, die Bedenken auszuräumen
Im Gegenteil, es könnte sein, dass Präsident Trump per Verfügung auch den Verkauf von US-Technologie an Huawei und ZTE unterbindet. Dies könnte trotz großer Anstrengungen auf chinesischer Seite, sich von amerikanischen Chips unabhängig zu machen, die chinesischen Konzerne in Bedrängnis bringen und Lieferschwierigkeiten gerade im Bereich der Netzwerktechnologie verursachen.
Zum anderen ist Peking für Washington viel mehr als eine wirtschaftliche Herausforderung. China ist ein Konkurrent im weltweiten Wettstreit um Einfluss und Macht und inzwischen auch ganz deutlich ein militärischer Rivale – Eskalation nicht ausgeschlossen. Die US-Administration versucht derzeit die Verbündeten diesseits des Atlantik zu überzeugen, ebenfalls auf chinesische 5G-Technologie zu verzichten. Das tut man mit einer Mischung aus besorgtem Drängen und handfestem Drohen mit ernsthaften sicherheitspolitischen Konsequenzen.Die militärische Dimension bekommt zu wenig Aufmerksamkeit
Sogar die militärische Zusammenarbeit im Rahmen der NATO wird in Frage gestellt, sollten die Europäer nicht endlich einlenken: „Wir können die Sicherheit des Westens nicht garantieren, wenn unsere Alliierten sich vom Osten abhängig machen“, so US-Vizepräsident Mike Pence jüngst in München. Was in Berlin scheinbar noch nicht angekommen ist: Man meint dies in Washington durchaus ernst.
Während hier vor allem der ökonomische Aspekt diskutiert wird - Was wären die möglichen Mehrkosten? Welche Verzögerungen würden sich von einem Umbau des Netzes unter Verzicht auf chinesische Technologie ergeben? Was wäre der anzunehmende Schaden für die deutsche Wirtschaft? – bekommt die militärische Dimension wenig Aufmerksamkeit.
Dabei ist dies einer der Bereiche, in denen die direkte Anwendbarkeit besonders offensichtlich ist. 5G revolutioniert die militärische Kommunikation, verbessert die Aufklärungsfähigkeiten auch von vorhandenen Waffensystemen wie zum Beispiel dem US-Kampfjet F35 und macht die weitreichende Nutzbarkeit künstlicher Intelligenz für militärische Zwecke möglich.
5G braucht vor allem Bandbreite. Da das Spektrum aber eine begrenzte Größe hat, übt dies zudem langfristig Druck auf Frequenzbereiche aus, die eigentlich militärischer Kommunikation vorbehalten sind. Auch in China spielt die militärische Nutzbarkeit von 5G-Technologie eine entscheidende Rolle, die militärisch-zivile Zusammenarbeit in diesem Bereich wird explizit gefördert und soll dem Ziel dienen, Chinas Streitkräfte in eine moderne Armee umzuformen, die Kriege nicht nur führen, sondern auch gewinnen kann.
In Europa ist man von diesen Erwägungen weitgehend unbeeindruckt, scheint doch der militärische Wettstreit mit China unfassbar weit entfernt. Deshalb wird fieberhaft an einem dritten Weg gearbeitet. Welches Schlupfloch lässt sich finden, das weder die USA noch China langfristig vor den Kopf stößt? Zu viel steht auf dem Spiel. Niemand will Peking verschrecken und die guten Geschäfte gefährden, aber auch die Sicherheitsallianz mit den USA ist Grund genug, die nächsten Schritte gut zu überdenken.
Die USA könnten dabei derzeit wesentlich mehr tun, um Ihren Aussagen Substanz zu verleihen. Was bedeutet es konkret, wenn US-Außenminister Pompeo in Osteuropa sagt, dass die Nutzung von Huawei-Infrastruktur an Orten, an denen man ‚wichtige amerikanische Systeme’ vorhält, die militärische Zusammenarbeit erschwere? Braucht es Huawei-freie Zonen um US-Militärstützpunkte oder ist der Einbau von einzelnen Antennen irgendwo im NATO-Gebiet Grund genug, militärische Kooperation in Frage zu stellen?Die Bedenken der US-Administration nicht ernst zu nehmen, wäre ein fataler Fehler
Auf die Spitze getrieben: Würden die USA in Erwägung ziehen, ihre Truppen aus Deutschland abzuziehen, wenn die Telekom voll auf chinesische Technologie setzt? So ausbuchstabiert klingt die vage Drohung ziemlich absurd, die Bedenken der US-Administration deswegen im Grundsatz nicht ernst zu nehmen, wäre jedoch ein fataler Fehler. Da Präsident Trump jede strategische Ausrichtung per Tweet wieder in Frage stellen kann, wird man allerdings in Berlin den Eindruck nicht los, dass man in Washington gezielt auf die 5G-Debatte setzt, weil hier der ökonomische Schaden für die USA marginal, der mögliche strategische Gewinn im technologischen Wettstreit mit China jedoch enorm groß ist. Es ist an Washington, Klarheit herzustellen und europäische Bedenken auszuräumen.Auch Washington muss Klarheit herstellen und europäische Bedenken ausräumen
Ohne umfangreichen transatlantischen Dialog wird sich weder die technologische noch die politische Herausforderung meistern lassen. Die Abwägung kann den Entscheidungsträgern in Deutschland und Europa letztlich niemand abnehmen, sie muss aber im vollen Bewusstsein über alle Risiken – und ohne künstliche Eile – getroffen werden. Den möglichen Konfliktfall mit China auszuklammern, wäre naiv. Wirtschaftliche Argumente zählen deshalb nur bedingt.
Deutschland muss eine rechtlich saubere, technologisch vernünftige und sicherheitspolitisch vertretbare Lösung finden. Es ist ein guter erster Schritt, dass die Bundesnetzagentur am Donnerstag Eckpunkte der neuen Sicherheitsanforderungen für die Telekommunikationsnetze veröffentlicht hat und die Vertrauenswürdigkeit von Lieferanten zum zentralen Aspekt macht. Diese Eckpunkte sind ein erstes Signal an die Mobilfunkanbieter vor der Versteigerung der Lizenzen.Mit Ericsson und Nokia gibt es eine echte europäische Lösung, die strategische Autonomie bietet
Die Bundesregierung kauft sich damit etwas Zeit zum Nachdenken. Anders als in vielen anderen Feldern gäbe es bei 5G mit Ericsson und Nokia eine echte europäische Lösung. Dies wird auf absehbare Zeit ein Sonderfall bleiben. Aber wenn man schon einmal so etwas wie strategische Autonomie hat, sollte man das vielleicht nutzen – zu Übungszwecken.