Politische Korrektheit gegen Diskriminierung : Politische Sprache bildet Wirklichkeit

Der Begriff der „Political Correctness“ ist seit den 1990er Jahren ein rechter Kampfbegriff der impliziert, dass es eine Zensur von „politisch unkorrekten Aussagen“ gäbe. Donald Trump hat in seinem Wahlkampf gegen eine vermeintliche Kultur der Political Correctness gekämpft, genauso wie das die AfD in Deutschland tut. Ihr Slogan „Mut zur Wahrheit“ ist nur ein Beispiel dafür, dass die AfD sich als letzte Aussprecherin vermeintlicher Wahrheiten stilisiert und behauptet, andere würden sich das aus politischer Korrektheit nicht mehr trauen. Regelmäßig gibt es aber auch aus anderen Ecken Appelle für weniger Political Correctness, wie den, wir sollten es mit der Political Correctness nicht übertreiben, weil das die AfD stärke. Aber das ist die falsche Antwort auf den Aufstieg der Rechtspopulist*innen. Auf politische Korrektheit zu verzichten, um die AfD nicht zu stärken, ist der falsche Ansatz.
Aus zwei Gründen: Erstens sollten Demokrat*innen sich gar nicht erst auf diese Diskursebene herablassen. Ein rechter Schmähbegriff der abwertet, wenn Menschen sich für gegenseitigen Respekt und ein diskriminierungsfreies Miteinander einsetzen, kann da bleiben, wo er hergekommen ist: in der rechten Ecke.
Zweitens weil mit der Warnung vor zu viel politischer Korrektheit verschleiert wird, worum es eigentlich geht: Politische Korrektheit wird von den Rechten überall da gesehen, wo es eigentlich um Mitmenschlichkeit, um Schutz vor Diskriminierung, um Menschenwürde geht. Und dafür sollte sich niemand entschuldigen müssen. Denn der Einsatz von Menschen gegen Diskriminierung, gegen Homo- und Transfeindlichkeit, gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Sexismus und für ein vielfältiges, respektvolles Miteinander ist unverzichtbar. Für Mitmenschlichkeit und Schutz vor Diskriminierung sollte sich niemand entschuldigen müssen.
Oft geht es in der Debatte über die vermeintliche politische Korrektheit um Sprache. Als wir Grüne im Herbst 2015 einen Parteitags-Antrag beschlossen haben, der besagt, dass wir in parteiinternen (!) Beschlüssen künftig den Gender-Star nutzen wollen, brach ein kleiner Shitstorm über uns herein.
Dabei geht es bei unserem Parteitagsbeschluss um eine innerparteiliche Regelung für unsere Beschlüsse und nicht darum, dass wir fordern, die deutsche Sprache im Allgemeinen zu verändern. Wir haben uns mit diesem Antrag dafür entschieden, eine Sprache zu verwenden, die alle Menschen meint: mit dem Gender-Star wollen wir für Frauen, Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Intersex und queere Menschen (LGBT*IQ) eine Sichtbarkeit schaffen. Denn politische Sprache bildet Wirklichkeit.Politische Sprache bildet Wirklichkeit.
Eigentlich ist es aber natürlich nicht Sprache an sich, die so viel Hass auf sich zieht. Vielmehr ist es die Gleichberechtigung der Geschlechter, oder der Kampf gegen Diskriminierung, die so viele Gegner*innen auf den Plan rufen. Was die AfD und ihre Anhänger*innen so stört, ist der Gedanke, dass plötzlich auch Frauen und LGBTQIA-Personen einen Platz in der Öffentlichkeit haben sollen. Denn Gleichberechtigung meint immer noch, dass das männliche, heterosexuelle Geschlecht auf Privilegien verzichten muss.
Natürlich brauchen wir Lehrer*innen, die auf Schulhöfen eingreifen, wenn Wörter wie „schwul“, „Jude“ oder „behindert“ als Schimpfwörter benutzt werden. Wir müssen Diskriminierung bekämpfen und dafür auch benennen, wofür wir streiten: Für eine Kultur des gegenseitigen Respekts.
Wenn weiße, heterosexuelle Männer, die keine Diskriminierungserfahrung haben, uns erklären wollen, warum man den Schaumkuss weiter „Mohrenkopf“ nennen soll, können sie das nur aus ihrer privilegierten Haltung heraus tun, da ihnen die Empathie oder die Erfahrung fehlt, wie sich das aus anderer Perspektive anfühlt.Diejenigen, die für weniger politische Korrektheit werben, haben meist keine Diskriminierungserfahrung.
Denn in der Regel sind die, die für weniger Political Correctness werben, auch diejenigen, die privilegiert sind, weil sie zur weißen Mehrheitsgesellschaft gehören und nicht wissen oder nicht wissen wollen, dass schon diskriminierende Sprache verletzend sein kann. Die Jüdin, die regelmäßig antisemitische Sprüche von der Synagoge entfernen muss, der ministrierende Senegalese, den die CSU am liebsten wieder im Senegal sehen würde, der beliebte Fußballspieler, den einige weiße Deutsche nicht als Nachbarn haben wollen, weil er schwarz ist und die Regenbogenfamilie, die von den „besorgten Eltern“ immer wieder angegriffen wird - für sie alle sind das sicher nicht die ersten Diskriminierungserfahrungen. Diskriminierende Sprache ist für viele trauriger Alltag.
Woran es dieser Gesellschaft mangelt, ist nicht die Freiheit, andere diskriminieren zu können, sondern die Bereitschaft, sich in diskriminierte Menschen hineinzuversetzen. Wer nicht davon betroffen ist, tut gut daran, sich mit den Betroffenen gemeinsam gegen diesen Hass und diskriminierende Mikroaggressionen zu stellen, und dafür zu werben, sich gegen Hass im Alltag zur Wehr zu setzen.