Umsteuern - jetzt! : Der Politik fehlt ein Mobilitäts-Plan

Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, bis 2020 zum Leitmarkt für E-Mobilität zu werden. Die Energiewende soll damit um einen weiteren Baustein – die Verkehrswende – flankiert werden. Die Umsetzung fällt allerdings deutlich hinter die Ansprüche zurück. Vom Leitmarkt ist Deutschland weit entfernt. Dafür müsste Deutschland in zentralen Feldern der E-Mobilität substanziell aufholen. Die deutschen Automobilhersteller sind in den zentralen Märkten kein Marktführer und ebenso wenig aktiv in den wertschöpfungsrelevanten Bereichen Batterie- und Antriebstechnik. Auch geht der Ausbau der Ladeinfrastruktur noch zu schleppend voran. Ferner sollte der Verbraucher die Technik nutzen wollen und eine entsprechend bezahlbare und variantenreiche Produktpalette vorhanden sein. Politik und Wirtschaft fokussieren bislang keine echte „Mobilitätswende“
Worin liegen zentrale Herausforderungen für die neue Bundesregierung, einen notwendigen Turnaround zum Leitmarkt E-Mobilität und damit zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors zu schaffen? Diese Fragestellung analysiert eine noch unveröffentlichte Studie des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge an der Universität Leipzig. In mehreren Befragungsrunden wurden Experten aus Politik, Verbänden, Wirtschaft und Wissenschaft gebeten, notwendige Weichenstellungen für die Bundesregierung zu illustrieren, die Umsetzung der E-Mobilität zu forcieren.
Politik und Wirtschaft fokussieren bislang keine echte „Mobilitätswende“. Der Staat ist gefragt, die E-Mobilität zügig voranzutreiben
Das Ziel, Deutschland als Leitmarkt zu positionieren, scheint in weiter Ferne. Auch für eine schnelle Marktdurchdringung der E-Mobilität reichen die derzeitigen politischen Rahmenbedingungen nicht aus. Hierfür wäre laut Experten ein neuer ordnungspolitischer Rahmen erforderlich. Speziell sind bestehende Regularien und Anreizsysteme anzupassen, da das bisherige Förderregime seine intendierte Wirkung nicht entfaltet und der Markt, hier speziell die Automobilhersteller, entsprechende Entwicklungen nicht bzw. nur unzureichend selbst forciert. Daher ist v. a. auch der Staat gefragt, die E-Mobilität zügig voranzutreiben. Was fehlt: ein Ausstiegsdatum aus der fossilen Verbrennungstechnologie - und mehr Förderung für den E-Auto-Kauf
Wenngleich die befragten Experten kein vollständig neues Anreizsystem zur Förderung der E-Mobilität konzipieren konnten, so haben sie jedoch diverse Maßnahmen benannt, welche kurz-, mittel- und langfristig der E-Mobilität zum Durchbruch verhelfen könnten. Kurzfristig (2-4 Jahre) sind die E-Mobilität in den bereits bestehenden Anwendungsfeldern zu stärken und deutliche Signale für eine Mobilitätswende zu setzen. Notwendige Maßnahmen hierfür bilden bspw. die Ankündigung ambitionierter CO2-Emissionswerte für Fahrzeuge und -flotten sowie ein Ausstiegsdatum aus der fossilen Verbrennungstechnologie. Ferner sind temporäre Regulierungsmaßnahmen für den Einsatz von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren, aber auch eine zielgerichtete Förderung der Anschaffung von E-Fahrzeuge aufgrund noch zu großer Preisunterschiede essenziell. Damit soll v. a. kurzfristig der Einsatz von E-Fahrzeugen in den Innenstädten befördert werden, wo bereits heute entsprechende Voraussetzungen (Ladesäuleninfrastruktur, Reichweite der Fahrzeuge) bestehen. Als Erstes muss das E-Auto in den Städten etabliert werden
Mittelfristig (5-10 Jahre) gilt es, diese ersten Maßnahmen zu verstetigen und zugleich neue ordnungspolitische Rahmenbedingungen für eine flächendeckende Mobilitätswende zu setzen. Insbesondere sahen die Experten drei Maßnahmen als zentral an: die Reduzierung der zulässigen Emissionen bei Verbrennungsfahrzeugen i. V .m. einem Zulassungsstopp für reine Verbrenner in Innenstädten, die Festlegung eines Ausstiegsdatums aus der Verbrennungstechnologie und die Implementierung eines entsprechenden Anreizes zum Umstieg auf E-Fahrzeuge (bspw. Verschrottungsprämie für konventionelle Fahrzeuge) sowie einen flächendeckenden Ausbau einer (Schnell-)Ladeinfrastruktur durch eine entsprechende Förderung. Mit diesen Maßnahmen soll die E-Mobilität auch außerhalb der Ballungszentren vorangetrieben und ein neuer ordnungspolitischer Rahmen für die Elektromobilität schrittweise etabliert werden.Langfristig müssen Steuern und Abgaben E-Auto-freundlich geändert werden, außerdem braucht es eine E-Auto-Quote
Langfristig (> 10 Jahre) sind zudem weitere, v. a. steuerliche und regulatorische Maßnahmen umzusetzen sowie die Forschung und Entwicklung im Bereich E-Mobilität, aber auch der Verkehrswende allgemein, deutlich zu verstetigen. Hierzu zählen die Experten Maßnahmen wie eine Reform der Steuern, Abgaben und Umlagen mit dem Ziel einer Umstellung der Kfz-Steuer auf eine größere Berücksichtigung des CO2-Ausstoßes. Ferner regen die Experten eine Einführung einer E-Autoquote bei der Zulassung für Automobilhersteller an.
Nicht nur seitens der Politik, auch bei den Automobilherstellern ist für das Leitmarktziel ein Umdenken erforderlich. Sofern kein Gegensteuern erfolgt, könnte Deutschland zudem in Märkten mit stärkerer Regulierung für E-Mobilität Absatzanteile verlieren. Das Ergebnis wäre eine Gefährdung von Arbeitsplätzen und Marktanteilen. Deutschlands Position als Automobilstandort ist global gefährdet.