Jerusalem als Hauptstadt Israels : Übertriebene Empörung

Lassen wir den Verstand sprechen, nicht Gefühle. Das fällt bezogen auf US-Präsident Trump schwer, ist aber unerlässlich, wenn Politik und Politik-Kritik Ergebnis nüchterner Analyse sein sollen. Auch diejenigen, die den Jerusalem-Knoten durchschlagen möchten, müssen wissen wie und wo anzusetzen ist. Wie in der Medizin gilt auch hier: Ohne richtige Diagnose keine Therapie. Fakten statt Legenden!
Am 29. November 1947 beschloss die UN-Vollversammlung die Teilung des Britischen Treuhandgebiets „Palästina" in je einen Jüdischen sowie einen Arabisch-Palästinensischen Staat. Jerusalem sollte unter internationaler Kontrolle stehen. Israel akzeptierte die Teilung, die Arabische Welt nicht. Sie begann den Ersten Arabisch-Israelischen Krieg. Er endete 1949. Fakt war nun: Jordanien herrschte über den Osten, Israel hielt den Westen der „Heiligen Stadt". Hauptstadt Israels sei Jerusalem, hatte der Jüdische Staat verkündet. Es hieß Jerusalem, nicht West-, Ost- oder Ganz-Jerusalem. 1967 eroberte Israel auch den Osten der Stadt, wandte seit dem 28. Juni 1967 dort auch israelisches Recht an und annektierte ihn am 30. Juli 1980. Abgesehen von zeitweisen wenigen Ausnahmen hat kein Staat dieser Welt Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt. Weder West-, noch Ost- oder Ganz-Jerusalem. Bis zur Trump-Wende vom 6. Dezember 2017. Trump lässt bewusst offen, ob er Ganz-Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen will. Es bleibt ein Spielraum
Trump erkennt Jerusalem als Hauptstadt Israels an. Ob er West-, Ost- oder Ganz-Jerusalem meint, ließ er offen. Da selbst die Trump-Administration die hochformalisierte Sprache der Internationalen Politik anwendet, ist das kein Zufall. Daraus folgt, anders als allgemein unterstellt: Es gibt Spielraum. Konkret: Ost-Jerusalem könnte durchaus Hauptstadt „Palästinas" werden.
Palästina neben Israel, also die Zwei-Staaten-Lösung. Sie wird von der „Internationalen Gemeinschaft" favorisiert. Trump schließt sie nicht aus. Die weltweite Empörung über Trumps Wende ignoriert dieses Faktum. Die weltweite Empörung ignoriert über Trumps Wende ignoriert, dass er die Zwei-Staaten-Lösung nicht ausschließt
In Variationen ist seit dem UNO-Beschluss über die Internationalisierung Jerusalems dessen Nicht-Anerkennung als Israels Hauptstadt in Erz gegossen. Jahrzehntelang war diese Politik total erfolglos. Sie rückte den Frieden keinen Millimeter näher. Sie führte in die Sackgasse und prallte jedes Mal an die Mauer des Scheiterns. Trotzdem wollen die „Internationale Gemeinschaft" (auch Kanzlerin Merkel und Noch-wohl-wieder-Außenminister Gabriel) diese Fahrt fortsetzen, Gas geben und nochmal an die Wand fahren. Absurd. Ob Trumps Weg erfolgreicher sein, kann heute keiner sagen, doch die tölpelhafte Fortsetzung des bisherigen Irrwegs ist törichter als töricht.Die bisherige Strategie der Nicht-Anerkennung ist jahrzehntelang gescheitert. Sie fortzusetzen wäre falsch
Seit Bundeskanzler Willy Brandts Ostpolitik müsste man gerade in Deutschland wissen, dass die Anerkennung von Realitäten eben nicht deren Ewigkeitsbestand garantiert, sondern sie überwinden kann. Die Brandt-Scheel-Koalition erkannte 1972 die DDR an. Seit 1990 gibt es sie nicht. Ergo: Die Anerkennung der Fakten von heute kann durchaus dazu führen, dass es morgen andere gibt. Warum also die Aufregung der Hauptstadt-Anerkennung durch Trump?Die Anerkennung von Realitäten garantiert nicht deren Ewigkeitsbestand. Realitäten können überwunden werden
Deutschland und die Welt (nun minus USA) verweigern Israel das Recht, die eigene Hauptstadt selbst zu bestimmen. Wie würde der Deutsche Michel reagieren, wenn Israel und die Restwelt bestimmten, dass nicht Berlin, sondern Bonn, München oder Frankfurt Deutschlands Hauptstadt wäre?
Bis 1967 wurde Juden der Zugang zu den Heiligen Stätten Ostjerusalems verweigert. Dagegen protestierte die „Internationale Gemeinschaft" nicht. Sie will heute, dass Ostjerusalem die Hauptstadt Palästinas werde. Wer garantiert, dass dann Juden an die Klagemauer dürfen?Deutschland und die Welt verweigern Israel das Recht, die eigene Hauptstadt selbst zu bestimmen
Zur Jahreswende 2000/01 hatte Israels Ministerpräsident Barak Arafat 97% des Westjordanlandes sowie Ostjerusalem als Hauptstadt Palästinas angeboten. Nein, sagte Arafat und begann die Zweite Intifadah. Einen ähnlichen Vorschlag unterbreitete Israels Premier Olmert Palästinenserpräsident Abbas im September 2007. Wieder lautete die Antwort nein.
Es heißt: Nun werde ganz Nahost in Flammen stehen. Steht die Region nicht seit Jahrzehnten in Flammen? Herrscht nicht erst recht seit den Arabischen Revolutionen von 2011 in der Arabisch-Islamischen Welt, ohne jeden Zusammenhang mit Israel, Mord und Todschlag, zum Beispiel in Syrien, im Irak, in Libyen, im Jemen, in Ägypten, Tunesien, Bahrein, sogar Saudi Arabien?
Trump fühle sich „israelfreundlichen jüdischen Spendern verbunden, deren Millionen 2016 halfen, seinen Wahlkampf zu finanzieren." So ARD-Korrespondent Stefan Niemann am 06. Dezember 2017 in der 20-Uhr-Tagesschau. Ähnliches stand am 07.Dezember im Edelblatt Neue Zürcher Zeitung oder in den Jauchegruben Sozialer Medien. Fakt ist: Nur 20% der US-Juden wählten Trump, 70% Hillary Clinton, 5% die beiden übrigen Kandidaten. Fakt ist auch, dass die meisten jüdischen Millionen (um das klassisch antisemitische Bild erneut zu gebrauchen) seit jeher den Demokraten, nicht den Alt- oder Neu-Trump-Republikanern zufließen. Birgt die Jerusalem-Empörung etwa doch einen Hauch von Antisemitismus? Auch darüber sei nachgedacht.Man muss darüber nachdenken, ob die Jerusalem-Empörung einen Hauch Antisemitismus birgt