Handys in der Schule? : Die Realitätsferne des Smartphone-Verbotes

Ist das französische Modell, Smartphones generell in der Schule gesetzlich zu verbieten, eine Maßnahme, die auch deutschlandweit gelten kann und soll? Aus bildungspolitischer und medienpädagogischer Sicht ist diese Frage klar mit „Nein“ zu beantworten. Es kann keine bundesweit einheitliche Regelung für Bildungseinrichtungen geben.
Betrachten wir uns zunächst das „Kann“: Bildung ist in Deutschland Ländersache. Das heißt, nach dem Grundgesetz bestimmen die Bundesländer die Bildungspolitik. Die meisten Bundesländer (eine Ausnahme bildet Bayern – dort gibt es ein im Schulgesetz verankertes Handyverbot) haben keine feste Regelung über die Handhabung von Smartphones an Schulen. Das jeweilige Schulgesetz überlässt es den einzelnen Schulen, wie mit Smartphones umgegangen werden soll. Die Frage, ob es eine bundesweit einheitliche Regelung für Bildungseinrichtungen gibt oder geben kann, ist also zu verneinen. Viele Lehrkräfte sehen Smartphones als Störfaktor, sodass deren Gebrauch in vielen Schulen untersagt wird.
Viel wichtiger ist allerdings die Debatte um das „Soll“: Betrachten wir also zunächst die Argumente der Verfechter des Smartphone-Verbots. Argumente gegen Smartphones in der Schule sind beispielsweise, dass sie die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler im Unterricht stören, das Schulklima beeinträchtigen oder sich Schülerinnen und Schüler während der Pausenzeit auf den Schulhöfen nicht mehr bewegen. Cybermobbing, Abstumpfung bezüglich Gewalt und Pornografie sind hier weitere gern angeführte Vorbehalte. Viele Lehrkräfte sehen Smartphones daher überwiegend als Störfaktor, sodass deren Gebrauch in vielen Schulen untersagt wird. Ein Handyverbot an Schulen würde das Problem einer missbräuchlichen Nutzung auf den außerschulischen Alltag verlagern.
Allerdings greift eine solche rein medienskeptische Strategie heute zu kurz: Erstens sind Lebenswelten mittlerweile – für Kinder, Jugendliche wie auch für Erwachsene – Medienwelten geworden. Das heißt: Die Allgegenwärtigkeit von Medien zu Hause, in der Freizeit und auch in der Schule macht eine umfassende Kontrolle des Medienhandelns Jugendlicher durch Erwachsene so gut wie unmöglich. Darum ist auch eine gut ausgebildete Selbstregulierung im Sinne von Medienkompetenz so wichtig. Ein Verbot an Schulen würde nur bedeuten, dass das Problem einer missbräuchlichen Verwendung von Smartphones auf den Alltag außerhalb der Schule verlagert wird. Zweitens geht ein solches Verbot an der digitalen Bildungsoffensive komplett vorbei. Smartphones sowie generell mobile Medien bieten im schulischen Bereich ein großes Potenzial, kommen aber in Deutschland kaum im Unterricht zum Einsatz. An den meisten deutschen Schulen findet eine zeitgemäße Nutzung von digitalen Medien im Unterricht nicht statt – was nicht zuletzt an einer mangelnden Ausbildung des Lehrpersonals liegt. Es gibt dennoch viele Lehrerinnen und Lehrer, die versuchen, Smartphones mediendidaktisch sinnvoll in der Schule zu integrieren, sie für Lernprozesse zu nutzen und die Medienkompetenz ihrer Schülerinnen und Schüler zu fördern – auch im Sinne eines kritischen und verantwortungsvollen Umgangs. Dieses Engagement gilt es zu unterstützen und nicht durch ein Verbot guten Konzepten den ‚Hahn abzudrehen‘. Smartphones müssen in der Schule eingesetzt werden, um Heranwachsende für die digitale Arbeitswelt zu qualifizieren.
Drittens hat die Schule unter anderem die Aufgabe, Schülerinnen und Schüler auf die Arbeitswelt vorzubereiten. Betrachtet man die derzeitige Arbeitswelt, dann werden Smartphones inzwischen in allen Branchen und Berufen eingesetzt. Sie sind aus dem Berufsalltag nicht mehr wegzudenken und die gestiegene Notwendigkeit zur stärkeren Nutzung wird übereinstimmend von Ausbildungs- und Personalverantwortlichen bestätigt. Smartphones werden als unverzichtbare Werkzeuge zur Gestaltung von Arbeitsprozessen im Kontext von Organisation, Kommunikation und Information bewertet. Daher gilt es auch, Smartphones sinnvoll in der Schule einzusetzen, sie selbst zum Thema zu machen und Heranwachsende für die digitale Arbeitswelt zu qualifizieren.
Summa Summarum: Ein Smartphone-Verbot ist komplett realitätsfern. Die angeführten Argumente gegen ein Verbot sind allerdings auch kein ‚Freischein‘ für eine ungeregelte Smartphone-Nutzung. Im Gegenteil: Wenn Smartphones in Schulen Eingang finden sollen – als Lernmittel, Recherchewerkzug und zur Alltagskommunikation –, dann bedarf es bestimmter Vorbereitungen und Absprachen. Da aber noch kein entsprechender Rahmen ausgebildet wurde, wie und in welcher Weise Smartphones verwendet werden sollen, müssen diese Regeln erarbeitet werden, beispielsweise in einem Vertrag. Andernfalls kommt es zu den oben genannten Unstimmigkeiten. Als Voraussetzung eines solches Vertrags müssen folgende Grundregeln gelten.Es muss gemeinsam ein Smartphone-Vertrag erarbeitet werden, der für alle gilt und dem Unterricht Priorität zuspricht.
1. Der Vertrag wird gemeinsam erarbeitet. Schülerinnen und Schüler sind selbst kritisch bezüglich ihrer Smartphonenutzung. Sie ernst zu nehmen, ihre Medienwelt zu akzeptieren und gemeinsam einen Weg zu finden, führt dazu, dass sie sich auch an ihre eigenen Regeln halten und einen verantwortungsvollen Umgang lernen.
2. Smartphone-Regeln müssen für alle gelten. So geben laut Studien fast 90 Prozent der SchülerInnen an, dass sie sich an Regeln zur Smartphone-Nutzung halten würden, wenn diese auch für die Erwachsenen gelten. Allerdings sind wir Erwachsenen häufig keine guten Vorbilder, sodass hier die Akzeptanz von Regeln bei Heranwachsenden deutlich schrumpft.
3. Der Unterricht hat Priorität. Wenn Smartphones nicht Teil des Unterrichts sind, sind sie auch nicht zu benutzen. Dazu sind Smartphones in den ‚Nicht-Stören-Modus‘ zu schalten, denn auch Smartphones im Vibrationsalarm können stören. Die Devise muss lauten: die Unterrichtssituation hat Vorrang.
Wie der Vertrag dann weiter auszusehen hat, ist gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern auszuhandeln, beispielsweise, dass Fotos und Videos nur mit Erlaubnis aufgenommen und veröffentlicht werden dürfen. Schülerinnen und Schüler brauchen Regeln, allerdings keine Verbote. Diese gehen an ihrer (digitalen) Lebenswirklichkeit vorbei.