Die Friedensbewegung hat sich im Syrienkrieg endgültig diskreditiert
Wie wird man das kommenden Generationen erklären? Dass wir in Echtzeit der vollkommenen Zerstörung einer Stadt, der hemmungslosen Bombardierung ihrer Bewohner, den eklatanten Kriegsverbrechen zugesehen haben? „Aleppo ist jetzt in einer Reihe mit Ruanda und Sebrenica als eines der historischen Ereignisse zu nennen, die für das Böse stehen“, twittere Samantha Power, derzeit (noch) US-Botschafterin an den Vereinten Nationen und zuvor „Senior Director für Menschenrechte“ in Obamas Nationalem Sicherheitsrat.
Die Zurückhaltung der USA und Europas in Syrien ist zynisch.
Samantha Power muss es wissen. Die ehemalige Kriegsreporterin hat ein Pulitzer-Preis gekröntes Buch mit dem Titel „Genocide. A Problem from Hell“ verfasst, in dem sie beschreibt, wie die amerikanische Regierung es immer wieder verfehlte, ethnische Säuberungen und Völkermorde zu verhindern, sei es in Kambodscha, im Irak unter Saddam Hussein, in Ruanda und Sebrenica.
Nur: Dieses Mal war Samantha Power keine Berichterstatterin. Sie diente einer Regierung, die zwar forderte, „Assad muss weg“, aber dann so gut wie nichts dafür tat. Die den Einsatz von Giftgas als „rote Linien“ beschrieb, aber dann hilflos zusah, nachdem diese rote Linie von Neuem überschritten wurde. Und das gilt nicht nur für die Regierung Barack Obamas. Auch den Europäern fiel nicht viel zu der brennenden Frage ein, wie die humanitäre Katastrophe in Syrien zu stoppen wäre. Weil dies in der Tat eine schwierige Aufgabe ist. Weil es nach den Erfahrungen im Irak und Libyen auch gute Gründe zur Vorsicht gab. Aber sich auf das Argument zu verlegen, dass militärische Mittel eine Lage nur verschlimmern würden, das ist im Zusammenhang mit Syrien reiner Zynismus. Russland hat in enger Kooperation mit dem Iran durch den brutalen Einsatz militärischer Mittel die Lage eskaliert. Auf Kosten einer Zivilbevölkerung, die zu Hunderttausenden getötet wurde. Und die Lektion, die Russland daraus lernt?
Die Friedensbewegung kritisiert militärische Gewalt nur, wenn sie vom Westen eingesetzt wird.
Moskau und Teheran haben Fakten geschaffen, mit denen der Westen nun umzugehen hat: Assads Machterhalt ist (vorerst) gesichert. Und es gab keinen nennenswerten Widerstand gegen eine Entschlossenheit, alles, aber auch alles dafür zu tun, die eigenen Ziele zu erreichen. Nicht einmal von der so genannten „Zivilgesellschaft“, die nicht, anders als die Politik, mit schwierigen Entscheidungen zu kämpfen hat, und sich einen rigorosen Moralismus hätte leisten können. Die so genannte „Friedensbewegung“, die noch gegen jede Intervention westlicher Mächte demonstriert hat, blieb in den vielen Monaten russischer Bombardierungen mucksmäuschenstill. Das lässt wohl nur einen Schluss zu: Einer Schockstarre ist dies nicht geschuldet. Sondern einer tiefen Verlogenheit. Militärische Mittel sind wohl nur dann abzulehnen, wenn sie vom Westen eingesetzt werden. Das Mantra des „Nie wieder“, gilt offensichtlich nicht für alle Opfer von Gewalt. Sollte diese Friedensbewegung jemals wieder aufwachen, dann kann man ihr nur noch Eines zurufen: Lasst es. Eure Glaubwürdigkeit ist mit Aleppo untergegangen.