Was die italienische Lega mit der europäischen Rechten verbindet
In Italien ist es nun doch zu einer Regierungskoalition zwischen der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtspopulistischen "Lega" mit dem parteilosen Juristen Giuseppe Conte an der Spitze gekommen.
Europaweit jubeln Rechte darüber. Insoweit lohnt es sich, am Beispiel der Lega und ihres Parteioberhaupts Matteo Salvini aufzuzeigen, wie gut rechte Parteien, aber auch rechte politische Vorfeldorganisationen inzwischen europaweit vernetzt sind und welche Strategie sie damit verfolgen. Genau diese Vernetzung ruft regelmäßig großes Erstaunen hervor, weil es seltsam wirkt, wenn ausgerechnet stark national oder gar nationalistisch ausgerichtete Protagonisten internationale Allianzen pflegen.
Der 1973 geborene Journalist Matteo Salvini führt die Lega seit dem Jahre 2013 an. Bereits seit 2004 sitzt er für seine Partei im Europäischen Parlament. Er ist für seine fremdenfeindliche Rhetorik bekannt und behauptet gerne, dass die „Einwanderung außer Kontrolle geraten“ sei. Auch als sich erstmalig abzeichnete, dass er der künftige nächste italienische Innenminister werden könnte, gab sich Salvini „nicht staatsmännisch, sondern provozierte weiterhin gegenüber Brüssel, Paris und Berlin“, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung befand. Wenige Tage später konstatierte „Zeit Online“, dass Italiens wahrscheinliche „neue Regierung so europafeindlich wie keine zuvor in der Nachkriegszeit (sei)“, womit ihre ausgesprochene EU-Aversion gemeint war.
Gemeinsam ist den europäischen Rechtsparteien ihre EU-Aversion
In eben dieser EU-Aversion liegt das gemeinsame Band der europäischen Rechtsparteien. Sie alle bekämpfen das verabscheute „Brüssel“, gerne auch von innen heraus. Deshalb hat sich Salvinis „Lega“ im europäischen Parlament mit dem französischen Front National, der FPÖ und der niederländischen „Partei für die Freiheit“ (Partij voor de Vrijheid) in der Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ zusammengeschlossen. Die europäischen Rechtsparteien fordern zwar keinen EU-Austritt – selbst Marine Le Pen ist von ihrem Wunsch nach einem „Frexit“ abgerückt - , wollen aber stärker zu einem „Europa der Vaterländer“ zurück.
Ein weiterer gemeinsamer Nenner ist das Verständnis als Anti-Establishment-Partei. Demgemäß fiel auch die Reaktion von AfD-Co-Parteichef Jörg Meuthen aus, als sich eine italienische Regierungskoalition der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega erstmalig abzeichnete. „Es ist sehr erfreulich, dass sich in Italien zwei Anti-Establishment-Parteien durchgesetzt haben“, sagte er dem „Spiegel“. In der Tat ist die Lega unter Salvini, wie „Zeit Online“ titelte, „gegen alles Etablierte“.
Matteo Salvini ließ sich bereits 2015 mit Götz Kubitschek ablichten
Die rechten europäischen Allianzen reichen längst weit über Parteien hinaus. So hat sich Matteo Salvini bereits Anfang 2015 mit dem neurechten Verleger Götz Kubitschek in Rom gemeinsam ablichten lassen. Zu sehen ist das Foto in einem Artikel von Kubitschek auf seinem Blog „sezession.de“, in dem er davon berichtet, „als Pegida-Versteher auf Einladung der Lega Nord zu Gast bei einem Kongress“ gewesen zu sein, „auf dem es um die ‚Identität‘ als zentrale politische Fragestellung der Zukunft ging“. Kubitschek schrieb damals weiter, es gehe darum, „nach außen gerichtet Front zu machen“ „gegen die Überfremdung“. Letztere fordere „in ihrer Wucht einen identitären Widerstand, zu dem die geschwächten europäischen Nationen derzeit nicht in der Lage sind“.
Gemeint ist natürlich die angebliche Überfremdung Europas mit muslimischen Zuwanderern. Dieses Narrativ verstärkte sich innerhalb der Neuen Rechten weiter, nachdem im Herbst 2015 die Flüchtlingskrise eintrat. Allerdings, und das sollte man sich merken, geht es dabei nicht primär gegen Muslime beziehungsweise die angebliche „Islamisierung“. Vielmehr richtet sich der Kampf vor allem gegen den Westen, wie der Journalist Alan Posener gerade auf dem Blog „Starke Meinungen“ am Beispiel der AfD treffend nachgewiesen hat. Posener schreibt dort „Man kann es nicht oft genug betonen: die AfD ist (…) nicht primär islamfeindlich oder gegen Zuwanderer. Die wahren Feinde Deutschlands macht die AfD anderswo aus. Es sind Schattenmächte, in deren Auftrag die Regierungen agieren“, darunter die „breite Phalanx von Vertretern inter- und supranationaler Organisationen“ und die „Befürworter der Globalisierung“.
Auch Björn Höcke stütze sich jüngst im Rahmen einer Rede bei der Pegida-Bewegung in Dresden auf genau jene gegen den Westen gerichtete Vorstellung und verstieg sich dabei sogar in ein verschwörungstheoretisches Geraune von der „Endzeitideologie“ der „Neuen Weltordnung“, mit der die „transatlantischen Eliten“ die „Auflösung der Staaten, der Völker, der Kulturen“ anstreben. Götz Kubitschek wiederum hatte schon in dem erwähnten Bericht aus Rom Anfang 2015 davon gesprochen, dass „die Frage nach der Identität die antiamerikanische Gemeinsamkeit zwischen links und rechts herausschälen und die künstliche Gegnerschaft beider Lager aufheben könnte“.
Jene oben erwähnten „transatlantischen Schattenmächte“ wollen, so geht die zentrale Erzählung vieler Neurechter weiter, letztlich das deutsche Volk abschaffen, indem sie es mit „Fremden“, vor allem solchen muslimischen Glaubens fluten und mit der Keule des „Schuldkults“ „knechten“. Während sich das „Schuldkult“-Axiom spezifisch gegen die deutsche Erinnerungskultur richtet, ist die Mär von der Flutung des „eigenen Volks“ mit „Fremden“ ohne weiteres auch in anderen europäischen Staaten auftischbar. Und so bildet denn auch das Märchen vom „Großen Austausch“ der „autochthonen Völker“ durch muslimische „Fremde“ das gemeinsame Band zahlreicher europäischer Rechter.
Der "große Austausch" ist der Hauptkampfbegriff der Rechten geworden
Der „Große Austausch“, den der französische Rechtsintellektuelle Renaud Camus 2013 als Bedrohungsszenario aufgebracht hat, ist längst zum Hauptkampfbegriff der – in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachteten - „Identitären Bewegung“ avanciert. Auch sie versteht sich als europaweit angelegt, stammt ursprünglich aus Frankreich, ist aber gleichermaßen in Österreich und Deutschland aktiv. Wie viele andere neurechte Bewegungen führt sie anders als die „Alte Rechte“ keinen Kampf gegen alles, was für sie nicht deutsch, österreichisch, französisch oder sonstwie national ist, sondern verteidigt die von ihr so bezeichnete „Festung Europa“ gegen eine angebliche „Islamisierung“.
Wer die heutigen (neu)rechten Bewegungen in Europa verstehen will, muss begreifen, wie und warum sie den rein nationalen Rahmen verlassen und sich zusammengetan haben. Der Grund dafür liegt auf der Hand: so lässt sich der Anti-EU-Geist viel effektvoller verbreiten. Je mehr Länder von der europäischen Integration wie etwa Polen Abstand nehmen, je mehr Bevölkerungsteile europaweit EU-feindlich werden und lediglich ein „Europa der Vaterländer“ wollen, umso besser für die Rechten. All das erhöht die Chance, dass die von ihnen verhasste EU zusammenbricht. Und je größer in ganz Europa die Aversion gegen „den Islam“ und den diesen angeblich implementierenden „dekadenten Westen“ wird, umso besser ist auch das aus Sicht der Rechtsdenker.
Dementsprechend stößt man all überall im (neu)rechten Milieu auf die Anrufung Europas und der Europäer. Die „Identitäre Bewegung“ spricht auf ihrer Homepage vom „großen Bevölkerungsaustausch in Europa“, des Weiteren davon, „Berührungsflächen und kulturelle Angebote für jene Europäer“ schaffen zu wollen, „die vom Establishment längst vergessen wurden“. Im letzten Sommer startete die „IB“, wie die „Identitäre Bewegung“ sich abkürzt, im Mittelmeer die Aktion „Defend Europe“. „Um Europa zu verteidigen“, so steht es bis heute auf der Homepage, wollte man „gegen die Schlepperschiffe vermeintlich ‚humanitärer‘ NGOs an der italienischen Küste vorgehen“.
Auch der 1991 geborene Philip Stein, eine Schlüsselperson innerhalb der jüngeren neurechten Szene, zählt zu denjenigen, die sich explizit auf Europa berufen. Stein ist Sprachrohr der Initiative „einprozent.de“, die 2015 u.a. von Götz Kubitschek und dem ehemaligen radikal Linken und heutigem Herausgeber des radikal rechten „Compact Magazins“, Jürgen Elsässer, formiert wurde. „Einprozent.de“ verfolgt das Ziel, „als eine Art „NGO“ bundesweit rechte Projekte und rechten „Widerstand“ finanziell zu unterstützen. Außerdem ist Stein Pressesprecher der „Deutschen Burschenschaft“, in der sich der dezidiert rechte Teil der deutschen burschenschaftlichen Bünde organisiert hat.
Das Europa, auf das die Rechte sich beruft, hat nichts mit Europa zu tun
Ebenfalls im Jahre 2016 gründete Philip Stein den, und da wird es auch namentlich spannend, „Jungeuropa Verlag“, der vor allem Werke von französischen Rechtsintellektuellen publiziert. Stein beschrieb die Neugründung in der neurechten „Blauen Narzisse“ als „publizistische Folge einer festen Überzeugung: dass Europa als historische und kulturelle Einheit zwingend zusammenfinden muss, um angesichts der Verwerfungen des globalen Geschehens bestehen zu können.“ Das passt ins Bild. Die „Blaue Narzisse“ ist ein Medium, das Götz Kubitscheks langjähriger Weggefährte Felix Menzel ins Leben gerufen hat. Und Menzel wiederum verfasste schon 2013 gemeinsam mit Philip Stein ein Buch mit dem Titel „Junges Europa: Szenarien des Umbruchs“.
Man lasse sich also nicht in die Irre führen. Das Europa, das die Neue Rechte verteidigt und auf das sie sich beständig beruft, hat nicht viel mit dem integrierten Europa in seiner bestehenden Form zu tun. Vielmehr ist die rechte Idee von Europa eine Gegenkultur zu all dem, wofür die europäische Einigung seit 1945 steht. Das Vorbild der auf rechts gedrehten Idee von Europa ist Wladimir Putin und ihr Sehnsuchtsort ist eine von ihm angeführte und seinem Autoritarismus treu unterstehende „Eurasische Union“. Mit dem liberalen Westen will die deutsche Rechte indes nicht zu tun haben. Ihn verachtet sie als „dekadent“. Wem das Leben in Freiheit und der so grundierten EU etwas wert ist, sollte dagegen Stellung beziehen.