AKK und das Habitus-Problem
Die CDU ist, das kann man inzwischen wohl so konstatieren, ins Trudeln geraten. Aus der ehemals selbstbewussten Partei, die sich seit jeher als Regierungspartei versteht und einen entsprechenden Machtanspruch hat, ist nach den vergangenen Wahldebakeln eine zutiefst verunsicherte Truppe geworden. Der siegesgewisse Habitus ist perdu, und das hat viel mit der derzeitigen Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer zu tun. Besonders deutlich wird das, wenn man einen Blick nach Österreich wirft und Kramp-Karrenbauer mit Sebastian Kurz kontrastiert.
Der erst 33-jährige Kurz hat bei der Nationalratswahl Ende September einen fulminanten Sieg eingefahren. Satte 37,5 Prozent hat seine ÖVP, die sich inzwischen vorzugsweise nur noch „Volkspartei“ nennt und ihre frühere Parteifarbe schwarz gegen ein frisches Türkis ausgetauscht hat, erzielt, also fast sechs Prozentpunkte mehr als bei der Wahl 2017.
Möglich war dies nur, weil die eigenen Leute von Kurz überzeugt waren. Mehr noch, es herrschte eine echte Begeisterung für ihn. Und das lag nicht nur an seinen Inhalten, sondern auch an seinem selbstbewussten konservativen Habitus.
Der 2002 verstorbene, französische Soziologe Pierre Bourdieu hat sich intensiv mit der Frage beschäftigt, was genau der Habitus eines Menschen ist. Seine Erkenntnisse hat ein lesenswerter Eintrag auf dem soziologischen Blog „Von uns für alle“ zusammengefasst. Danach ist für Bourdieu der Habitus „die Grundhaltung eines Menschen zur Welt und zu sich selbst“ und besteht „aus Denk- und Verhaltensstrukturen, die die Möglichkeiten und Grenzen des Denkens und Handelns eines Menschen bestimmen“. Konkret zeige sich für Bourdieu der „verschiedene Habitus verschiedener Menschen“ etwa „in unterschiedlichen Arten, sich zu kleiden“ sowie im „Selbstbewusstsein“ und in der „Selbstsicherheit“.
Mit Selbstbewusstsein begeistert man das eigene Lager
In der Politik ist ein so verstandener Habitus essentiell, vor allem dann, wenn man ein konservatives Publikum ansprechen möchte. Wer selbstbewusst wirkt und auch kleidungsmäßig Trittsicherheit zeigt, hat es deutlich leichter, für Begeisterung im eigenen Lager zu sorgen und Wähler zu mobilisieren. Kurz hat das geschafft. Er hat seiner konservativen Wählerbasis ein neues Selbstbewusstsein, ja eine neue Frische eingehaucht. Das konnte ich auf der Wahlparty der ÖVP, die sich neuerdings vorzugsweise nur noch „Die Volkspartei“ nennt, im eleganten Wiener „Kursalon Hübner“ selbst miterleben. Es herrschte Freude bis hin zur Euphorie.
Kurz wirkt stets besonnen, poltert nicht und tritt gut gekleidet, aber nicht überkandidelt auf. In Zeiten, in denen der „Ibiza-Skandal“ die FPÖ als schmierig hat erscheinen lassen, ist das nicht unwichtig. Im Vergleich zu Kurz wird besonders deutlich, wie wenig die derzeitige CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer einem konservativen Ideal in diesem Punkt auch nur nahe kommt. Unter ihrer Führung oder besser ihren Führungsdefiziten wirkt die CDU zunehmend nicht nur inhaltsleer, sondern auch habituell lahm und langweilig.
AKK´s Auftritte wirken freudlos
Annegret Kramp-Karrenbauer versprüht keine politische Lebensfreude, ihre öffentlichen Auftritte, ja ihre oftmals monotone Sprechweise wirken freudlos und alles andere als mitreißend. Bei ihrer Rede, mit der sie vor fast einem Jahr den CDU-Parteivorsitz erkämpfen konnte, war das noch anders. Seither hat man von der dortigen AKK aber kaum etwas gesehen. Humor scheint ausgerechnet ihr, dem Karneval-Fan, außerhalb der Bütt völlig abzugehen, ebenso das leicht Spitzbübische, das Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Pressekonferenzen gelegentlich noch aufblitzen lässt. Der kramp-karrenbauer‘sche Gesichtsausdruck drückt hingegen meistens Anstrengung aus. Und auf öffentliche Kritik hat die frühere saarländische Ministerpräsidentin mehrfach patzig reagiert.
All das lässt Kramp-Karrenbauer unsouverän erscheinen. Damit reißt man Konservative, die sich von einem staatsmännischen (oder -fraulichen) Habitus gerne beeindrucken lassen würden, nicht mit. Im Gegenteil, man verliert damit deren Respekt.
Wer Bürgerliche, vor allem auch konservative Bürgerliche gewinnen möchte, muss wie Kurz auch habituell für selbige ein Vorbild sein. Und dazu zählt nun einmal auch die Kleidung. Gewiss, die Maßstäbe für Frauen liegen hier besonders hoch, das mag man bedauern. Angela Merkel musste das schmerzlich erfahren, hat aber die entsprechenden Konsequenzen gezogen und ist schon lange bei jedem Termin – wenngleich uniformhaft immer im selben, nur farblich variierenden Blazer-Schnitt - angemessen gekleidet.
Auch die Garderobe AKK´s ist wenig staatsfraulich
Annegret-Kramp Karrenbauer hingegen fällt neben ihren inhaltlichen Fehltritten auch beständig mit Patzern bei der Kleidung auf. Während etwa Angela Merkel und Ursula von der Leyen anlässlich der Stabsübergabe im Verteidigungsministerium auf dem fast schon ikonischen Foto der drei Damen auf Schloss Bellevue lange schwarze Hosen und schicke Blazer tragen, sitzt Kramp-Karrenbauer dort zwar ebenfalls im Blazer, hatte aber für solch einen Termin ein zu kurzes Sommerkleid an, das beim Sitzen zu viel Bein zeigt, noch dazu ohne Strumpfhose. In einem Vorstellungsgespräch für ein hohes Amt in der Privatwirtschaft hätte so ein Aufzug das sichere Aus bedeutet.
Überhaupt sieht die Garderobe Kramp-Karrenbauers nicht selten zusammengesucht aus. Es gibt ein Foto, auf dem sie in einem ärmellosen Shirt mit großen weißen Punkten neben Angela Merkel zu sehen ist. Diese Momentaufnahme macht den optischen Lapsus besonders deutlich. Merkel nämlich trägt ganz staatsfraulich darauf einen ihrer unanfechtbaren Blazer. Auch in Sachen Schmuck lässt sich bei Kramp-Karrenbauer eine gewisse Habitus-Vergessenheit feststellen, wenn Merkel mit Silberkette auftritt und ihre Verteidigungsministerin mit einer Art alternativem Surferkettchen, das mehr nach Freizeit als nach Regierungsamt aussieht.
Wer Bundeskanzlerin werden will, braucht entsprechenden Habitus
Wer so auftritt, riskiert, dass ihm neben der offensichtlich fehlenden Kompetenz in Sachen Garderobe auch der Verdacht anheftet, es auf weiteren Feldern an der nötigen Souveränität fehlen zu lassen.
„Kleide dich stets für die Position, die du willst - nicht für die, die du schon hast“ lautet ein beliebter Rat. Man könnte ihn erweitern und empfehlen, sich generell den Habitus zuzulegen, den es braucht, um dahin zu kommen, wo man hin möchte. Das gilt nicht zuletzt für eine CDU-Vorsitzende, die so gerne Bundeskanzlerin möchten werde.
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