Was eine junge Frau tun muss!
Greta Thunberg ist ein Star. Sie wird weltweit beachtet. Sie durfte beim Weltwirtschaftsforum sprechen und hielt eine Rede im Plenarsaal des Klimaschutzgipfels in Katowice.
Dort sagte sie u.a.: „Was ich auf dieser Konferenz zu erreichen hoffe, ist die Erkenntnis, dass wir einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt sind. Dies ist die größte Krise, in der sich die Menschheit je befunden hat. Zuerst müssen wir dies erkennen und dann so schnell wie möglich etwas tun, um die Emissionen aufzuhalten, und versuchen, das zu retten, was wir noch können.“
Ihrem Beispiel folgend setzen sich mittlerweile zigtausende Schüler weltweit für Klimaschutz ein und streiken freitags unter dem Motto #FridaysForFuture.
Gerade diese Popularität ist es, die zu teilweise wütenden und herabwürdigenden Reaktionen führte. Insbesondere Leugner des Menschen gemachten Klimawandels reagieren mit perfiden Unterstellungen auf die Aktivitäten der jungen Frau. Angriffspunkte sind dabei allerdings nicht ihre Äußerungen, sondern ihre Person und ihre Eltern.
Dass Greta das Asperger-Syndrom hat, wird gerne angeführt. Dabei spricht dies nun gerade nicht gegen die Seriosität von Greta Thunbergs Engagement. Menschen mit Asperger wirken zwar mitunter etwas wunderlich, weil ihr Kommunikationsverhalten anders ist, sie sind aber weder in ihrer Intelligenz gemindert, noch psychisch krank. In den Bereichen der Wahrnehmung, der Selbstbeobachtung, der Aufmerksamkeit oder der Gedächtnisleistung sind sie häufig anderen Menschen deutlich überlegen. Wenn Greta Thunberg sich, wie sie selbst berichtet, seit ihrem elften Lebensjahr mit Fragen des Klimas beschäftigt, dann dürfte sie auf diesem Gebiet mittlerweile ein Wissen angesammelt haben, das die wenigsten Erwachsenen zusammenbekommen. Die Fähigkeit, sich intensiv auf einen Gegenstand zu konzentrieren und für eine Arbeit scheinbar endlose Mühen auf sich zu nehmen, sind für dieses Syndrom charakteristisch. Das Asperger-Syndrom spricht also nicht gegen, sondern für Greta Thunbergs Kompetenz.
Wenn die "Bild" Greta Thunberg als Öko-Pippi bezeichnet, andere sie eine „verhaltensgestörte Klimahysterikerin“ nennen und der Rechts-Anwalt Steinhöfel twittert: „Ein Fall fürs Jugendamt? Denn sowas kommt dabei heraus, wenn die Eltern keine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen, sondern Reden von Claudia Roth, Göring-Eckardt und dem moppeligen Hofreiter und dazu noch deren Fotos zeigen.“, dann sagt das alles weniger über Greta Thunberg aus, als über die, die sich nun an ihr abarbeiten.
Ja, wäre Greta Thunberg von ihren Eltern „missbraucht“ worden, dann wäre das ein Fall für das Jugendamt. Man darf aber getrost davon ausgehen, dass die schwedischen Jugendämter da ganz genau hingesehen haben. Und wer meint, das wäre ein recht unzuverlässiger Verein, dem sei gesagt, dass in Schweden pro Jahr und pro Kopf sechs Mal so viele Kinder aus ihren Familien in Obhut genommen wie in Deutschland.
Die „Kritik“ an Greta Thunberg kommt in erster Linie von sogenannten Klimaskeptikern und zum anderen aus der rechte Ecke des politischen Spektrums. Besonders ekelhaft ist diese geheuchelte Fürsorge für die junge Frau, die nur dem Zweck dient, sie möglichst aus der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen. Da wird stets von dem armen, instrumentalisierten Kind gesprochen, statt einer starken sechszehnjährigen jungen Frau den Respekt zu zollen, den sie verdient.
Besonders lustig empfinde ich die Kritik daran, dass Greta Thunberg zur Erreichung der Menschen für ihr Ziel auf Angst setzen würde, wenn diese Kritik von Leuten kommt, die seit Jahr und Tag ihre Angst vor dem vermeintlichen Volkstod, vor dem Islam, vor einer Meinungsdiktatur und einer DDR 2.0 auf die Straße und ins Internet tragen, um damit Stimmen für eine sogenannte Alternative zu gewinnen. Womöglich haben die Angst, dass ihnen jemand ihr exklusives Angst-Argument wegnimmt und der Focus sich auf eine reale Bedrohung verlagert. Insoweit wäre Greta Thunberg eine Bedrohung für die besorgten Bürger.
Im Gegensatz zu den eher irrationalen Ängsten mancher Bundesbürger hat Greta Thunberg einen sehr realen Grund für ihre Angst um ihre und die Zukunft ihrer Generation. Obwohl es seit 1995 jährlich Klimakonferenzen gibt, hat sich unter dem Strich nicht allzu viel getan. Wenn die deutsche Regierung ihre Klimaziele auf der einen Seite mal nonchalant als nicht erfüllbar abhakt und auf der anderen Seite ein Verkehrsminister, unter dessen Verantwortung die Bahn kaum noch etwas auf die Reihe bringt, der selbst die Diskussion um ein Tempolimit als gegen den Menschenverstand bezeichnet, ja dann kann man Greta Thunberg doch nur zustimmen, wenn sie den Erwachsenen vorwirft, untätig zu sein. Und ja, sie hat vollkommen recht damit in diesem Punkt radikale Maximalforderungen aufzustellen, denn es bleibt nicht mehr viel Zeit.
„Die Leute reden nur und tun nicht, was sie sagen.“ Auch damit hat Greta Thunberg recht. Es hilft nichts, auf Konferenzen oder in Sonntagsreden über die Erderwärmung zu diskutieren und zu lamentieren, wenn man im Anschluss nichts tut. Den alten Säcken, die sich als Konservative oder gar als christliche Konservative verstehen, ist offenbar nicht bewusst, dass es die vornehmste Aufgabe von Konservativen sein müsste, nicht etwa das freie Fahren für frei Bürger zu bewahren, sondern die Lebensbasis der ganzen Welt. Christen sprechen da auch gerne von Schöpfung, was in der christlichen Union offenbar in Vergessenheit geraten ist. Es gibt kein biodeutsches Klima und es gibt auch kein britisches Klima. Es gibt nur ein Weltklima, das sich allen Nationlismen entzieht und allen Nationalisten zeigt, wie selten kurzsichtig ihr Kleinklein doch ist. Wenn da nicht sehr schnell gehandelt wird, dann wird Greta Thunberg noch die Zerstörung der Lebensgrundlagen dieser Welt erleben, wenn die „Pragmatiker“ von heute längst in ihren Särgen verschimmelt sind.
Und da kommen dann andere, die anmelden, die Radikalität von Greta Thunbergs Forderungen sei unangemessen. Man müsse doch erst einmal diskutieren, man müsse doch andere Sichtweisen zulassen. Die Zulassung anderer Sichtweisen ist grundsätzlich sicher nicht verkehrt. In diesem Fall sieht es aber etwas anders aus. Wenn die Leugner des Klimawandels aus Menschenhand Recht hätten, ja dann wäre unser Schicksal wohl besiegelt. Dann könnten wir nochmal eine große Party feiern und auch den Rest unserer Ressourcen noch verbrennen. Aber wenn sie Unrecht haben, und dafür spricht ja nun Einiges, ja, dann haben wir keine Zeit für wohlfeile Diskussionsrunden mehr. Dann brennt das Haus bereits. Wäre doch blöd, wenn ich auf einem Reetdach ein Flämmchen entdecke, erst mal darüber zu diskutieren, ob das vielleicht von alleine ausgeht, statt sofort zu löschen, oder? Wer würde erst diskutieren, wenn man einen Säugling über eine Autobahn krabbeln sieht, ob das vielleicht gut geht?
Manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss, aber wenn er es nicht tut, dann muss eben eine junge Frau tun, was ein alter Mann längst hätte tun müssen.