Warum die CDU AfD und Linke nicht gleichsetzen sollte
Das Wahlergebnis in Thüringen stellt insbesondere die CDU vor ein Dilemma. Soll sie nun eine Kooperation oder gar eine Koalition mit der Linkspartei eingehen oder soll sie ihren Spitzenkandidaten bei der Wahl des Ministerpräsidenten gegen den Amtsinhaber Ramelow antreten lassen - wie ihr Kandidat, Mike Mohring, selbst am Mittwochabend laut im Fernsehen überlegte (und damit riskieren, dass Mohring gar mit den Stimmen der AfD gewählt wird)? Oder soll sie eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung akzeptieren?
Obwohl erwartet, war das Wahlergebnis in Thüringen ein Schock für die sogenannten Mitte-Parteien. Nur noch 40,2 Prozent der Wählerstimmen entfielen auf CDU, SPD, Grüne und FDP, 54,4 Prozent entfielen auf die Linke und die AfD. Vorbei die Zeit der „großen“ Volksparteien in Thüringen.
Dass die Linke mit 31 Prozent klarer Wahlsieger ist, mag diese zu Recht erfreuen, es hilft aber nicht viel bei der Regierungsbildung, weil sie auch mit SPD und Grünen keine Mehrheit hat und die FDP nun mal lieber nicht regiert, als - ach, egal.
Nur die CDU kann den gordischen Knoten nach der Wahl in Thüringen zerschlagen
Den gordischen Knoten zerschlagen könnte die CDU. Denn eine Koalition aus Linkspartei und Christdemokraten käme auf 50 Sitze im Parlament und damit auf eine komfortable Mehrheit. Nun ist aber das Problem, dass in CDU-Kreisen wohl immer noch der Hufeisentheorie gehuldigt zu werden scheint. Die Hufeisentheorie geht davon aus, dass die politische Parteienlandschaft wie ein Hufeisen beschaffen ist. An den sich zuneigenden Enden des Hufeisens liegen Links- oder Rechtsextremismus, durch die Form des Hufeisens stehen sich dann Links und Rechts verhältnismäßig näher als beide zur Mitte. Die CDU folgert daraus, dass man sich in äquidistanter Weise sowohl von Rechten wie auch von Linken fernhalten müsse. Kann man natürlich machen, wenn man meint, dass man damit irgendetwas erreichen kann. Vermutlich erreicht man damit aber nur, dass die imaginäre Mitte zunehmend schrumpft und am Schluss nur noch aus ein paar Personen besteht, die abends ihr Gebet zu St. Äqui sprechen.
Grundsätzlich sollten in einem parlamentarischen System alle im Parlament vertretenen Parteien untereinander koalitionsfähig sein. Jedenfalls sollte das für all die Parteien gelten, die der freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht grundsätzlich feindselig gegenüberstehen. Und wenn nun die Wähler eine Situation geschaffen haben, die nicht mit den Wunschträumen der Parteien übereinstimmt, dann müssen die Parteien halt damit umgehen und sich etwas Neues ausdenken.
Die CDU hängt immer noch der "Hufeisentheorie" an
Ein guter Ansatz für eine neue Denkweise wäre es schon einmal, den ganzen Hufeisenunfug und den Äquidistanzquatsch endlich beiseite zu schieben. Wer will - und etwas simpel gestrickt ist - kann sich das politische Spektrum ja gern so ausmalen. Das führt dann allerdings zu dem seltsamen Schluss, dass eine antifaschistische Partei genauso bewertet wird, wie eine faschistische. Und da hört für mich dann der Spaß auf.
Das Grundgesetz ist von seiner gesamten Konzeption her antifaschistisch angelegt. Das hat insbesondere mit den Erfahrungen der NS-Zeit zu tun. Gebaut auf den unerschütterlichen Glauben an die Wirkfähigkeit der parlamentarischen Demokratie, erträgt das Grundgesetz deshalb auch Parteien, die es selbst ablehnen oder gar als nicht gültige Verfassung betrachten. In Artikel 21, Absatz 2, GG heißt es: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig."
Und obwohl das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass das politische Konzept der NPD auf die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtet ist, hat es sie nicht verboten. Das allerdings nur, weil sie zu unbedeutend ist, um eine ernsthafte Gefahr für den Staat darzustellen.
Wenn man sich nur anschaut, wie sich der Spitzenkandidaten der AfD in Thüringen, Björn Höcke, zum Beispiel in seinem Buch äußert, dann erkennt man leicht, dass es hier zumindest deutliche Ähnlichkeiten gibt zum politischen Konzept der NPD gibt. Bei der AfD dürfte allerdings das Argument der Nichtbedeutung keine Rolle mehr spielen. Und wenn – wie AfD-Chef Alexander Gauland behauptet – Höcke die Mitte der Partei definiert, dann möchte ich mir nicht vorstellen, welche völkischen Gruselgestalten den rechten Rand darstellen.
Beide, CDU und die thüringische Linke, sind antifaschistische Parteien
Egal, ich halte nicht viel von Parteiverboten und gegenüber der AfD wäre das vermutlich sogar kontraproduktiv. Immerhin wird man aber auch in der CDU feststellen können, dass diese Partei sich – und das betont sie ja auch selbst immer wieder – ganz erheblich von allen anderen Parteien unterscheidet und deshalb keine Machtoption bekommen sollte. Wenn sich einzelne Stimmen in der CDU eine Kooperation mit der AfD vorstellen können, dann stellt sich die Frage, ob die nichts aus der Geschichte gelernt haben oder ob sie noch in der richtigen Partei sind.
Betrachtet man hingegen die Thüringer Linke und ihren Ministerpräsidenten, dann findet man dort nichts, was den Gedanken aufkommen lassen könnte, es handele sich hier nicht um eine demokratische Partei auf dem Boden des Grundgesetzes. Auf mich wirkt die eher so wie die SPD früher einmal gewirkt hat, als sie noch nicht "Brüder zur Sonne zur Mitte" gesungen hat und sich nicht in innerparteilichen Kleinkriegen zerlegt hat. Ja, das ist eine linke Partei, mehr aber auch nicht.
Warum sollten also zwei Parteien, die - aus unterschiedlichen Motiven - ganz klar antifaschistische sind, nicht in einem Bundesland gemeinsam den Menschen zeigen können, dass sie jenseits aller Meinungsverschiedenheiten in einem ganz wichtigen Punkt zusammenstehen? „Keinen Millimeter den Faschisten“ wäre doch schon einmal was. Und es wäre auch die Chance mit einer breiten Mehrheit im Parlament, die bisher offenkundig erfolgreiche Politik der bisherigen Thüringer Regierung fortzusetzen und den Bürgern zu zeigen, dass sie keine verfassungsfeindliche Alternative benötigen, um ihre Interessen durchzusetzen. Dass die CDU vor der Wahl eine solche Koalition ausgeschlossen hat, sollte kein Hindernis sein, da wusste man ja noch nicht, wie die Wähler entscheiden. Und was sollte dagegen sprechen, nach all der elenden Langeweile der Großen Koalition in Berlin in Thüringen einmal ein neues Projekt zu starten. Wie wäre es einfach noch einmal mehr Demokratie zu wagen?