Wie die Berliner Regierung Airbnb zügeln und privaten Wohnraum schützen könnte
Von Steven Hill, amerikanischer Journalist und Autor des Buches Die Startup Illusion: Wie die Internet-Ökonomie unseren Sozialstaat ruiniert. .
Vor einem Jahr, im Juni 2016, sagte ich in einem Kommentar das Versagen eines neuen Berliner Gesetzes voraus, das den rasanten Anstieg von Airbnb Vermietungen ausbremsen sollte. Ein Jahr nach Gesetzeseinführung zeigen die neuen Zahlen, dass das Gesetz wie vorhergesehen massiv gescheitert ist. Der Grund dafür ist ein einfacher: Den wohlwollenden Regierungsbeamten, die das Gesetz verabschiedeten, war nicht bewusst, dass sich digitale Unternehmen auf altem Wege nicht regulieren lassen.
Das Unternehmen Airbnb, das seinen Sitz im Silicon Valley hat und dessen Wert auf 31 Milliarden Dollar geschätzt wird, vermietet mithilfe von digitalen App- und Online-Technologien leerstehende Wohnungen und Häuser an Touristen. Unter Reisenden ist Airbnb äußerst beliebt. Doch die Transaktionen auf Airbnb sind mit herkömmlichen Mitteln kaum nachzuverfolgen. Dadurch konnten sich Vermieter und Makler einen Zugang zu Airbnb verschaffen, wo sie ihr Einkommen um ein Dreifaches erhöhen können, indem sie an Touristen statt dauerhafte Mieter vermieten. Manche professionellen Gastgeber kontrollieren dutzende Immobilien. Laut einer Studie der Berliner Regierung wurden in einem Gebäude in der Wilhelmstraße in Mitte 280 von 300 Wohnungen an Kurzzeit-Touristen vermietet. Das reduziert nicht nur die Wohnmöglichkeiten für Berliner, sondern treibt auch die Mieten in die Höhe.
Für Airbnb wäre es leicht, die professionellen Gastgeber, die gegen das Gesetz verstoßen, zu identifizieren und sie aus dem Portal zu vertreiben. Doch das Unternehmen profitiert zu sehr von ihnen und zeigt sich deshalb nicht kooperationsbereit.
Das Berliner Gesetz, das im Mai 2016 verabschiedet wurde, verlangt, dass Airbnb-Gastgeber in ihrer Wohnung wohnen und nur ein leeres Zimmer, nicht aber eine gesamte Wohnung vermieten. Rein theoretisch sollten professionelle Gastgeber dadurch ausgeschlossen werden, zumal sie sich bei der Stadtverwaltung registrieren müssen und mit einer Geldstrafe von bis zu 100.000 Euro rechnen können.
Das Berliner Gesetz gegen Airbnb kann den Airbnb Wachstum nicht stoppen, denn es imitiert Fehltritte aus anderen Städten
Doch gerade seitdem das Gesetz in Kraft getreten ist, ist Airbnb regelrecht explodiert. Die Webseite Inside Airbnb berichtet, dass die Zahl der Angebote in Berlin um 54% gestiegen ist, mit über 7200 neuen Auflistungen bei einer Gesamtzahl von 20.576. Das sind so viele Angebote wie noch nie in Berlin. Noch ominöser ist, dass die Zahl der vollständigen Wohnungen und Häuser – die das Gesetz ja gezielt einzudämmen versuchte – um 45% auf 10.289 Auflistungen gestiegen ist. Somit sind 50% der Airbnb Auflistungen noch immer ganze Häuser oder Wohnungen.
Stephan von Dassel, der wohlmeinende Bürgermeister von Berlin-Mitte, berichtet, dass der gerichtliche Prozess gegen diese Kriminellen so langsam vorangeht, dass er nur 20 bis 30 Verurteilungen in diesem Jahr erwartet. Es sind etwa 1500 Fälle in Bearbeitung, doch zwischenzeitlich sind tausende weitere Gastgeber dem Geschäft beigetreten. Die Lage in Berlin gerät in Windeseile außer Kontrolle.
Das Scheitern des Gesetzes war vorherzusehen, denn es imitiert lediglich die ineffizienten Regulierungen aus anderen Städten, wie beispielsweise meiner Stadt San Francisco. Auch Berlin wird eine harte Lektion erteilt: ohne detailliertere Daten von Airbnb über die Gastgeber, die Mietdauer und die Preise ist es schier unmöglich, diese Entwicklung zu kontrollieren. Die Daten sind auch wichtig, um zu bestimmen, wie viele unbezahlte Steuern fällig sind, die von traditionellen Hotels gezahlt werden.
Berlin muss seine digitalen Grenzen schützen und Airbnb effektiv einschränken
Das Berliner Gesetz fordert von Airbnb Daten ein, doch das Nachhaken ist nicht aggressiv genug. Wie auch in New York City hat sich das Unternehmen geweigert, der Regierung vollständige Daten zur Verfügung zu stellen und auf die „Privatsphäre“ der Gastgeber insistiert. Aber dieses verzerrte Denken hebt das etablierte Handelsrecht auf. Sobald jemand sein Haus oder seine Wohnung in ein kommerzielles Unternehmen umwandelt, verliert er damit etwas von seiner Privatsphäre. Wenn man in Deutschland eine Pension führt, muss man diese auch registrieren. Warum sollte das anders sein, nur weil die Transaktionen im Internet durchgeführt wurden?
Welche Regulierungen würden Airbnb also effektiv einschränken, die professionellen Gastgeber vertreiben und es ehrlichen Privatleuten ermöglichen, ein wenig dazuzuverdienen? Zu allererst sollte Airbnb, wie jedes andere Unternehmen auch, eine Gewerbeerlaubnis erhalten müssen. Um diese Erlaubnis zu erhalten, muss Airbnb folgendem zustimmen:
1. Es muss alle Daten zur Verfügung stellen, die Berlin benötigt, um Vorschriften und Gesetze in Kraft zu setzen (Gastgeber, Zahl der vermieteten Nächte, Preise pro Nacht).
2. Es darf auf seiner Webseite nur registrierte Gastgeber anzeigen, die sich an das Gesetz halten. Wenn Airbnb illegale Gastgeber auflistet, wird eine Geldstrafe auf das Unternehmen verhängt.
Diese zwei Forderungen würden anstatt individueller Gastgeber das Unternehmen zur Verantwortung ziehen. Im digitalen Zeitalter müssen Städte und Länder Mittel entwickeln, mit denen sie rücksichtslose Online-Unternehmen davon abhalten können, Vorschriften ins Lächerliche zu ziehen. Viele Länder haben gezeigt, dass es rein technologisch möglich ist, seine „digitalen Grenzen“ zu schützen. Wenn Airbnb oder irgendein anderes Unternehmen sich weigert, sich an das Gesetz zu halten, sollte ihm das Privileg, in Deutschland Geschäfte zu führen, „digital entzogen“ werden. Ohne Airbnb würde sich sicherlich ein anderes Unternehmen etablieren, das die gleichen Dienste anbietet, doch dazu bereit ist, dem Gesetz Folge zu leisten.
Aus dem Englischen übersetzt von Antonia Zimmermann.