Die AfD ist eine rechtsradikale Partei
Von Ferda Ataman
Kommen wir gleich zum Thema: Ich bin keine Deutschtürkin, sondern eine Turkodeutsche fränkischer Herkunft. Meine fränkische Herkunft macht sich darin bemerkbar, dass ich Berlin – zumindest bis zur massenhaften Einwanderung von Süddeutschen – als kulinarische Einöde empfunden habe. Kein gutes Brot, kein gutes Bier, keine guten Würste. In Nürnberg gab es das an jeder Ecke. Ja, ich esse Schweinefleisch. Wer Menschen mit türkischem Namen heute noch verwundert anschaut, wenn sie das tun, hat den Anschluss verpasst. Überraschung: Nicht alle „von uns“ sind streng gläubige Muslime, unter uns gibt es auch viele Lockergläubige, Garnichtgläubige, außerdem Christen, Juden und viele andere. Aus der Türkei gibt es einen regelrechten Bratwurst-Tourismus – Verwandte kommen und wollen erst mal zur Currywurst-Bude. Ist eben mal was anderes.
Aber zurück zum Thema: Ich bin keine Deutschtürkin, auch wenn ich Eltern aus der Türkei habe, Türkisch spreche und kulturelle Bezüge zur Türkei habe. Natürlich: ich lese die Erdogan-Debatten anders, mit persönlicher Betroffenheit bis zu einem gewissen Grad. Aber wenn ich nach dem knapp erfolgreichen AKP-Referendum in der FAZ lese, „die Integration der Türken ist gescheitert“, ärgert mich das mehr, als das, was ich in der Tagesschau über Erdogan höre. Warum genau bitte ist meine Integration gescheitert? Und wer bitte entscheidet das? Warum erklärt niemand die Briten in Deutschland nach der Brexit-Entscheidung für integrationsunfähig? Warum werden die US-Amerikaner in Deutschland nicht für demokratieunfähig erklärt?
Muslime werden als nicht zugehörig wahrgenommen
Ich weiß, warum. Reden wir mal Tacheles: Der Unterschied ist, dass Menschen aus der Türkei als Muslime wahrgenommen werden. Und Muslime – das sind die Anderen. Die, die nicht zu uns gehören: zu den Deutschen, den Europäern, den Westlern. Die, die gekommen sind, obwohl wir das nicht wollten. Das ist der Tenor gerade.
Und der ist extrem problematisch. Und frustrierend.
Die „Burka“-Debatte zum Beispiel ist so ein frustrierendes Thema für Menschen wie mich: Dass es eigentlich keine Burka-Trägerinnen in Deutschland gibt, weil diese Art der Verschleierung „Niqab“ heißt – geschenkt. So viel interkulturelle Tuchfühlung muss nicht von jedem erwartet werden. Aber jeder im Politikbetrieb weiß: das Burka-Verbot ist eine Scheindebatte. Die Botschaft hinter der Botschaft lautet: „Muslime gehören hier nicht her.“ Und sie kommt an. Ich fühle mich absurder Weise vom Burka-Verbot angesprochen, obwohl ich kein Kopftuch, geschweige denn ein Niqab tragen will. Und genau das macht die Debatte über Burkas so perfide: ich fühle mich genötigt, mich für das Recht auf freie Religionsausübung stark zu machen, obwohl ich nicht für Vollverschleierung bin. Weil das Burka-Verbot auch gegen mich gerichtet ist. Weil ich aus Sicht der AfD – und übrigens auch des Statistischen Bundesamts – Muslimin bin. Ganz egal, ob ich gläubig bin oder nicht. Das ist offenbar so eine angeborene Sache.
Wer ein Burkaverbot fordert, argumentiert rassistisch oder feministisch
Sie merken schon, worauf ich hinaus will: Hier geht es um Rassismus. Ich sage einfach mal, wie es ist: Wer ein Burka-Verbot fordert, argumentiert rassistisch oder kämpft für die Rechte von muslimischen Frauen. Aber letzteres kann ich mir bei AfD-Politikern und Anhängern beim besten Willen nicht vorstellen.
Die AfD verwehrt sich gerade dagegen, von Medien als rechtspopulistische Partei bezeichnet zu werden. Das ist albern. Ich würde viel weiter gehen und von einer rechtsradikalen Partei sprechen. Laut Sicherheitsbehörden sind Personen und Organisationen rechtsradikal, wenn sie „klar rechts der Mitte des politischen Spektrums stehen, dabei allerdings im Rahmen der Verfassung bleiben“. Über die Verfassungsnähe der AfD kann man natürlich streiten. Trotzdem ist es eigentlich ganz einfach: Wer Menschen wie mir das Deutschsein abspricht, ist ein Rassist. Gaulands Meinung, „dass der Deutschtürke in diesem Land nicht richtig aufgehoben ist“, ist nicht verboten, aber rassistisch. Die einzige Argumentationsgrundlage, mich oder andere „Deutschtürken“ in Anatolien zu verorten, ist Genetik.
Die AfD pflegt ein rechtsradikales Weltbild
Die aktuelle Debatte um die Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz zeigt es sehr deutlich: Sie darf sich aus der Sicht von mehreren AfD-Politikern nicht über die deutsche Kultur äußern, weil ihre „Herkunft“ in Anatolien liegt. Auch, wenn ihre Herkunft eigentlich Hamburg ist. Die Haltung dahinter wird klar: Nur ein echter Deutscher darf sich über die deutsche Kultur auslassen, nicht aber so eine „Passdeutsche“ (wie die NPD unsereins bezeichnet), so eine dahergelaufene Muslimin – die soll sich lieber über „ihre“ Kultur äußern. Das kann man getrost schon als rechtsextremes Weltbild bezeichnen, mit völkischer Ideologie. Deutsch ist nur, wer von Deutschen abstammt.
Die Wissenschaft misst in der Bevölkerung eine wachsende Tendenz zu „Etabliertenvorrechten“: wer länger hier ist, darf mehr. Und wer neu hinzukommt, muss sich hinten anstellen. Ein moderner Rassismus, der gegen Menschenrechte verstößt, und höchst problematisch ist. Denn so läuft es nicht.
Die Kinder von Einwanderern haben ein Recht auf Chancengleichheit
Der Politologe Aladin El-Mafaalani hat mal geschrieben, dass die wahren Integrationsprobleme erst mit der zweiten Generation beginnen – also mit meiner. Weil wir mehr Ansprüche stellen als unsere Eltern. Meine Eltern waren „Gastarbeiter“, sie wollten arbeiten, Geld verdienen, ihren Kindern eine gute Zukunft ermöglichen und nicht weiter auffallen. Viele Deutsche erwarten dafür Dankbarkeit. Ich sehe das anders: Einwanderer wie sie haben zum Wirtschaftswunder mit beigetragen und sich dafür ausbeuten lassen. Aber mehr oder weniger waren beide Seite zufrieden. Ich erwarte mehr: Ich will nicht nur hier leben dürfen, ich will Chancengleichheit, auch für Menschen, die nicht „typisch deutsch“ aussehen oder Namen wie ich haben. Ich will keine Nachfragen hören, wenn ich sage, ich komme aus Nürnberg. Meine Generation will selbst entscheiden, ob wir Afrodeutsche, Deutschtürken, Muslime, Migrationshintergründler oder eben Deutsche genannt werden.
Die AfD findet das vermessen und will uns „entsorgen“? Wir finden, das macht Deutschland erst so großartig, dass wir alle zusammen „die deutsche Gesellschaft des 21. Jahrhundert“ sind, wie Aydan Özoğuz es mal auf einer Konferenz der Neuen Deutschen Organisationen formuliert hat.
Ferda Ataman ist Sprecherin der "Neuen Deutschen Organisationen", einem bundesweiten Netzwerk von Vereinen und Initiativen, die sich für die Akzeptanz von Vielfalt und gleichberechtigte Teilhabe einsetzen.