Frauen in Führungspositionen : Die Bilanz der Frauenquote ist peinlich für die Unternehmen

Es klingt ja erstmal nicht schlecht – die Bundesregierung hat eine erste Auswertung des seit Mai 2015 geltenden Geschlechterquoten-Gesetzes für die deutschen Unternehmen vorgelegt, mit dem Ergebnis: das Gesetz wird befolgt. In den Aufsichtsräten der betroffenen Unternehmen nähert sich der Frauenanteil der 30-Prozent-Marke und fast alle Börsenunternehmen haben sich, wie vom Gesetzgeber gefordert, auch für den Vorstand konkrete Ziele zur Erhöhung des Frauenanteils gesetzt. Die fehlenden Frauen in Vorständen zeugen von alten Denkmustern und stellen die Innovationskraft in Frage.
Allerdings: In den allermeisten Fällen (110 von 160 Unternehmen in DAX30, MDAX, SDAX, TecDAX) lautet das konkrete Ziel für den Vorstand – Null. Buchstäblich Null. Mehr als zwei Drittel dieser Börsenunternehmen haben keine Frauen in ihren Vorständen, und sie haben bis zur festgelegten Frist Ende Juni 2017 auch keine eingeplant. Ziemlich peinlich im Jahr 2017: Das zeugt von nicht rationalen alten Denkmustern, die ernsthaft die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft in Frage stellen. Gesellschaft und Märkte wandeln sich, schnell und umfassend – und die Mehrzahl der deutschen Unternehmen hält seit Jahrzehnten unverändert an längst veralteten Managementstrukturen wie in den 1950er Jahren fest. Führungsteams mit verschiedenen Geschlechtern sind anpassungsfähiger und profitabler.
Dass Unternehmen mit gut gemischten Führungsteams mehr innovatives Potential haben, dass sie anpassungsfähiger und profitabler sind und außerdem die beliebteren Arbeitgeber, zeigen internationale Studien seit Jahren. In Schweden gibt es heute 32 Börsenunternehmen, deren Frauenanteil im Vorstand bei mehr als 40 Prozent liegt, ihre Performance liegt kontinuierlich deutlich über dem Durchschnitt. In Deutschland gibt es diesbezüglich noch wenig Erfahrung, an der Frankfurter Börse haben derzeit nur die Aareal-Bank und Telefonica Deutschland ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen im Vorstand. Selbstgesteckte Ziele für eine Frauenquote in Unternehmen erzeugen mehr Enthusiasmus als Gesetze.
Gesetzliche Vorgaben müssen gezwungenermaßen erfüllt werden, das ist nicht automatisch mit Enthusiasmus und Visionen verbunden. Progressive, selbstgesteckte Ziele aber will man erreichen, sie sind es, die die Unternehmen voranbringen. Eine Handvoll deutscher Börsenunternehmen hat mit dieser Erkenntnis schon einen Vorsprung aufbauen können: die Aareal-Bank, die Allianz, Daimler, die Deutsche Bank, Munich Re und Siemens haben sich für mehrere Frauen im Vorstand entschieden. Das sind echte Pioniere, ganze sechs Firmen von 160 an der Frankfurter Börse.
Jetzt müssen sich die Unternehmen für die Zeit nach Juni 2017 wieder neue Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils in den obersten Führungsetagen setzen. Da lohnt es sich, genau hinsehen: Wer steckt sich ehrgeizige Ziele? Wer ist beweglich genug, sich rechtzeitig an die veränderten Bedingungen anzupassen? Wer setzt auf eine vielfältige Führungsmannschaft und eine moderne, partizipative Unternehmenskultur? Wem gelingt es damit, die besten männlichen und weiblichen Talente an sich zu binden? Das ist das Erfolgsmodell der Zukunft.